Blendwerk

■ betr.: „Das transatlantische Bünd nis auf der Suche nach einer neuen Aufgabe“, taz vom 3. 6. 96

Dem scharfsinnigen Kommentar von Reinhard Mutz zur Berliner Nato-Tagung kann ich nur zustimmen. Zu ergänzen ist jedoch, daß in Berlin ein noch ganz anderes Signal gesetzt wurde. Ein Signal, daß den Zug der europäischen Sicherheit in die falsche Richtung fahren läßt. Die Nato hat in Berlin mit aller Deutlichkeit den Anspruch bekräftigt, die Ordnungsmacht für Europa und die Weltgegend drumherum seien zu wollen. Was die Nato hier vorexerziert, hat seine Parallele im japanisch-US-amerikanischen Pakt, nämlich die von den USA anläßlich des Golfkrieges proklamierte „Neue Weltordnung“ militärisch durchzusetzen.

Daß man sich (vorerst) auch scheinbar selbstlos in den „Dienst“ von UNO und OSZE zu stellen bereit ist, muß als Blendwerk gewertet werden. Die entscheidenden Faktoren der militärischen Umsetzung eines Einsatzes – wer hat faktisch das Kommando und die Kontrolle – läßt sich die Nato von keiner UNO und OSZE nehmen, ebensowenig wie die Entscheidung, ob sie sich überhaupt zur Verfügung stellt. Zudem legt sie sich die Mittel und Fähigkeiten zu, auch ohne UN- und OSZE-Mandat militärisch nach ihren Interessen eingreifen zu können. So sind in Berlin die Weichen in Richtung einer Interventionsmacht Nato gestellt worden.

Die wiederholten Bekenntnisse zu einer „europäischen Sicherheitsarchitektur“ dürfen uns nicht täuschen. Gemeint ist der Anspruch, die Nato sei bereits diese „europäische Sicherheitsstruktur“ – eine deutliche Absage an eine gesamteuropäische Friedensordnung. Transatlantisch-gesamteuropäische Ansätze wie die OSZE als Kern einer Friedensordnung sollen sich dem Militärpakt der reichen Industrieländer unterordnen. Nato-Strukturreform und Nato- Osterweiterung sind das Gegenprojekt zu einer gesamteuropäisch-transatlantischen Friedensordnung.

Die Nato-Osterweiterung folgt der Logik der Bündelung militärischer Macht und grenzt nach Osten ab. Die Ausgrenzung Rußlands führt nicht zu gemeinsamer Sicherheit für alle, sondern zu Unsicherheit in Europa.

Mit der in Berlin auch lancierten stärkeren „Europäisierung“ der Nato, die eigenständige westeuropäische Einsätze nun ermöglichen soll, ist friedenspolitisch ebenfalls nichts gewonnen. Eine der verhängnisvollen Folgen wird die weitere Aufrüstung mit immer vernichtenderen und genauer tötenden Waffen sein, sowie das Festhalten an einer eigenständigen EU-Rüstungspolitik und -industrie. Die für Offensive und Intervention aufgerüsteten besonderen Militäreinheiten sollen weit bis nach Afrika und Asien hinein der Nato unliebsame Ziele attackieren können, und zwar auch nuklear. Diese als Friedenspolitik auszugeben, ist die Ideologie der Mächtigen, die noch immer nicht gelernt haben: Wer den Frieden will, muß den Frieden vorbereiten. Andreas Buro, Friedenspol.

Sprecher des Komitees für

Grundrechte und Demokratie