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Ein bißchen Öffnung in Nigeria

■ Das Parteienverbot geht zu Ende. Die Opposition gründet derweil einen illegalen Rundfunksender

Berlin/Lagos (taz/IPS) – Die Neuformierung der politischen Landschaft in Nigeria unter der Ägide der Militärjunta hat begonnen. Am vergangenen Montag endete das Verbot politischer Parteien, das Staatschef General Sani Abacha nach seinem Putsch im November 1993 erlassen hatte. Von jetzt an bis zum Jahresende dürfen nun Parteien gegründet werden und sich dann im versprochenen Übergang zur Demokratie bis 1998 bei Wahlen tummeln. Allerdings ist der Rahmen eng gesteckt: Zur Registrierung muß eine Partei mindestens 40.000 Mitglieder in allen dreißig Bundesstaaten Nigerias haben und in der Lage sein, Name, Alter und Anschrift jedes Mitglieds den Behörden vorzulegen. In einem Staat, der selbst nicht in der Lage ist, die Anzahl seiner Einwohner auch nur ungefähr zu ermitteln, ist letzteres eine ziemlich schwierig zu erfüllende Bedingung, die für den einzelnen Bürger unter den Bedingungen der Militärdiktatur auch durchaus Risiken beinhaltet.

Die Parteienzulassung fügt sich ein in eine Reihe von Reformankündigungen. So wurde jetzt eine Berufungsmöglichkeit verkündet für Urteile von Sondergerichten wie jenes, das 1995 Ken Saro-Wiwa zum Tode verurteilte. Außerdem setzte Staatschef Abacha am Montag eine „unabhängige“ Menschenrechtskommission ein. Allzu ernst ist das wohl nicht gemeint: Abacha rief zugleich die Welt dazu auf, „davon abzulassen, Nigeria nach den Kriterien der entwickelten Länder zu beurteilen.“

Der Opposition in Nigeria, die Abachas Reformen sämtlich als Manöver zum Machterhalt abtut, wird derweil das Leben weiterhin schwergemacht: Zwei führende Mitarbeiter der Menschenrechtsgruppe „Civil Liberties Organization“ (CLO) sind in diesem Monat verhaftet worden. Unterdessen nahm ein illegales Untergrundradio der nigerianischen Opposition den Sendebetrieb auf. „Radio Democratic International Nigeria“ (RDIN) sendet seit Dienstag vergangener Woche und präsentierte am 12. Juni, Jahrestag der annullierten Präsidentschaftswahl von 1993, eine Ansprache von Anthony Enahoro, einer der letzten lebenden Veteranen der nigerianischen Unabhängigkeitsbewegung und heute im Londoner Exil lebender Führer der oppositionellen „Nationalen Demokratischen Koalition“ (Nadeco). Derzeit sendet RDIN landesweit um sieben Uhr morgens eine halbe Stunde und zwischen 16 und 18 Uhr. Regierungsbehörden haben dazu bislang nicht Stellung bezogen. Ein Vertreter der nationalen Rundfunkbehörde NBC sagte, man verfüge nicht über die technische Ausstattung, um Piratensender zu lokalisieren. Schon seit Oktober sendet aus Lagos der Untergrundsender „Radio Freedom Frequency“, dessen Standort die Behörden bisher nicht finden konnten. D.J.

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