Der Acker ist die beste Genbank

Auf der FAO-Konferenz streiten sich Genbank-Betreiber und bäuerliche Züchter um die Erhaltung der genetischen Vielfalt  ■ Aus Leipzig Wolfgang Löhr

Noch hat die Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO)mit ihrer neuen Rolle so ihre Schwierigkeiten. „Früher war sie eine Vernichterin zahlloser lokaler, angepaßter Kulturpflanzensorten, heute schwingt sich die FAO zur Bewahrerin der Vielfalt auf“, beschreibt Alfons Üllenberg vom Forum Umwelt und Entwicklung den selbstauferlegten Wandel in der UN-Organisation. Vertreter von mehr als 150 Mitgliedstaaten der FAO diskutieren bis zum Wochenende in Leipzig über einen „Weltaktionsplan“, der den bedrohlichen Rückgang der genetischen Vielfalt bei unseren Nahrungsmittelpflanzen aufhalten soll.

Begleitet wird die Tagung von rund 160 VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) aus aller Welt. Zum ersten Mal auf einer FAO-Tagung gehören der deutschen Delegation auch zwei NGO-Vertreter an.

Die besonders heftig umstrittene Frage, woher die finanziellen Mittel zur Umsetzung des Programms kommen sollen, war von vornherein vertagt worden. Dafür hatten die USA und Kanada gesorgt. Geschätzt wird, daß die Kosten sich bis auf 450 Millionen Mark jährlich belaufen könnten.

Ohne Finanzierungsmöglichkeiten ist der Aktionsplan wertlos, meinen die in Leipzig vertretenen NGOs. Sie befürchten, daß es der FAO weiter darum geht, eine Beteiligung von Bauern und landwirtschaftlichen Gemeinschaften in der Dritten Welt am Aktionsplan zu verhindern. Dabei sind es gerade sie, die in der Vergangenheit dafür gesorgt haben, daß die große Vielfalt von Nutzpflanzen entwickelt wurde.

Während in den Kühlkammern der Genbanken viele der gesammelten Pflanzensorten nicht erhalten werden können, haben Millionen von Bauern zahlreiche lokal angepaßte Landsorten auf ihren Äckern bewahrt. Die NGOs fordern, daß diese Bauern die Kontrolle über ihre Nutzpflanzen behalten müssen. Heute wird ihnen durch Züchterrechte und die Patentierung von Pflanzen die Verfügungsgewalt über ihre Ernährungsgrundlage streitig gemacht.

Der Argarwissenschaftler Melaku Worede erwartet von der FAO-Tagung keine neuen Impulse mehr. Vor wenigen Wochen noch hatte der Gründer der äthiopischen Genbank die Hoffnung geäußert, daß in Leipzig zumindest die von Bauern und Bäuerinnen geleistete Arbeit bei der Erhaltung und Entwicklung der Landsorten gewürdigt wird und ihnen die zustehenden Rechte zugesprochen werden. Schon nach einigen Tagen Dauer der Verhandlungen in Leipzig hat er auch diese Hoffnung aufgegeben.

Melaku Worede ist seit seiner Pensionierung Leiter von „Seed of Survival“. In Zusammenarbeit mit der äthiopischen Genbank und mehreren tausend Bauern in Äthiopien sammelt „Seeds of Survival“ die noch erhaltenen Landsorten ein.

In eigenen Anbauversuchen werden die ertragreichsten und den jeweiligen lokalen Bedingungen angepaßtesten Pflanzen ausgewählt, vermehrt und als Saatgut den Landwirten wieder zur Verfügung gestellt. Damit werden nicht nur Landsorten erhalten, auch die Ernteerträge werden erhöht. Die äthiopische Initiative hat weltweite Anerkennung gefunden.

Obwohl in Leipzig über Geld eigentlich gar nicht gesprochen wird, bestimmt der Streit, welche Projekte denn künftig bevorzugt finanziert werden sollen, viele Diskussionen auf der Tagung. Haben die Bauernprojekte künftig Priorität oder der Ausbau der Genbanken? Für die Vertreter der NGOs ist das keine Frage. Die Genbanken sollen „lediglich als zusätzliche“ Maßnahme zu der Erhaltung der Pflanzenvielfalt beitragen. Die FAO müsse herunter vom Gentechniktrip. Nur eine Stärkung der bäuerlichen Landwirtschaft könne die Vielfalt erhalten.

Der indische Professor M. D. Nanjundaswami von der Bauerngewerkschaft Karnataka State Farmers geht noch einen Schritt weiter. Er will die Rechte der Bauern nicht einmal diskutieren. „Wir haben diese Rechte schon immer gehabt und werden sie uns nicht wegnehmen lassen.“