Kommentar: Nun sitzt er
■ Mensch hinter dem Pokerface erwischt
„Pokerface“ hat einer, der ihn gut kennt, den geschaßten Vorstandsvorsitzenden Friedrich Hennemann einmal genannt. Bis gestern nachmittag hat er dieses Spiel offenbar perfekt durchgehalten und behauptet, natürlich habe er mit einer polizeilichen Durchsuchung gerechnet, außer seiner Lebensversicherung sei da nichts. Hennemann hatte auf jede Frage eine wasserdichte Antwort, er war durch nichts aus seiner konzentrierten Ruhe zu bringen. Er redete als Delegierter der Basis auf dem SPD-Landesparteitag, er demonstrierte mit den Vulkan-Kollegen auf der Straße gegen die Bosse und gründete eine Beraterfirma für maritime Industrie des 21. Jahrhunderts mit dem Kürzel „HHH“.
Nun ist die Fassade zusammengebrochen. Wer 121.000 Mark zuhause in bar bunkert, wer Akten auf dem Klo zerreißt und sich dann in dumme Ausreden flüchtet, muß ein sehr schlechtes Gewissen haben. Für sich genommen ist nichts davon strafbar, vielleicht reichen die Indizien auch nicht für eine Untersuchungshaft. Selbst wenn er Gelder auf Auslands-Konten vor der Steuer versteckt hat, wäre das eher ein Kavaliersdelikt als eine Wirtschaftsstraftat.
Die Schnipsel auf dem Klo sind aus einem anderen Grunde verräterisch: Sie zeigen, daß hinter der glatten Oberfläche des Pokerface Hennemann ein einigermaßen verwirrter und dilettantisch handelnder Mensch steht. Eigentlich sympatisch. Klaus Wolschner
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