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Dünne Luft auf der Karriereleiter

Immer noch werden nur wenige Forscherinnen in eine Führungsposition berufen  ■ Von Wolfgang Löhr

Wissenschaftlerinnen sind einsam in den obersten Etagen der bundesdeutschen Forschungsinstitute. Daß es für Frauen besonders schwer ist, die Stufen der Karriereleiter zu erklimmen, ist zwar ein alter Hut. Aber wie groß das Ausmaß der Geschlechterdiskriminierung in den Tempeln der Wissenschaft tatsächlich ist, offenbarte jetzt eine umfangreiche Erhebung, die Forschungsminister Jürgen Rüttgers als Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Abgeordneten Elisabeth Altmann von Bündnis 90/Die Grünen vorlegte. Nicht nur, daß bis auf eine alle anderen der sechzehn öffentlich finanzierten Großforschungseinrichtungen nur von Männer geleitet werden, auch in den Ausschüssen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die über die Vergabe eines Großteils der deutschen Forschungsgelder zu entscheiden haben, sind Frauen immer noch unterrepräsentiert. So ist im DFG- Ausschuß, der über die Sonderforschungsbereiche bestimmt, von 27 Mitgliedern lediglich eine Frau vertreten.

Am mangelnden weiblichen Nachwuchs, der in eine wissenschaftliche Laufbahn einsteigen will, kann es nicht liegen. Mit bundesweit 52,5 Prozent der Schulabgänger mit der allgemeinen Hochschulreife stellten die weiblichen Absolventinnen 1994 die Mehrheit. Je höher man dann jedoch die Bildungspyramide hinaufschaut, um so geringer wird der Frauenanteil. Der erste Knick erscheint zwar bereits bei den Studienanfängerinnen. Doch der Frauenanteil beträgt hier immerhin noch etwas über 40 Prozent. Mit beträchtlichen Unterschieden in den verschiedenen Fächergruppen: Während er im Fach Medizin bei 51 Prozent liegt, fangen in den naturwissenschaftlichen Fächern nur noch 37 und in den Ingenieurswissenschaften sogar nur noch 17 Prozent Frauen das Studium an. Bis zum Hochschulabschluß verschiebt sich das Geschlechterverhältnis nur geringfügig zuungunsten der Frauen. Ein erster drastischer Einbruch erfolgt dann bei der Anzahl der promovierten Wissenschaftlerinnen. Obwohl immer mehr Frauen ihre wissenschaftliche Karriere an der Hochschule fortsetzen und ihren Doktor machen, beträgt der Frauenanteil an den Promotionen lediglich 31 Prozent: 6.400 Frauen nahmen 1993 ihre Promotionsurkunde entgegen.

Nur wenige überspringen dann auch die nächste Hürde, um auf eine Professur berufen zu werden. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden habilitierten sich 1994 in den alten Bundesländern zwar 1.169 Männer, aber nur 183 Frauen. In den neuen Ländern waren es 78 Männer und 14 Frauen. Von den 36.175 Hochschulprofessuren sind dann auch nur weniger als sieben Prozent mit Wissenschaftlerinnen besetzt.

Der größte Teil der Frauenförderungsmaßnahmen für Hochschulen sei bisher wirkungslos geblieben, meinte dann auch die Soziologin und Germanistin Angelika Wetterer von der Universität Bochum angesichts dieser Zahlen vergangene Woche auf einem Kongreß in Darmstadt. Die Ursache dieser Misere sind für sie die Konzepte der Fördermaßnahmen selbst. Eine Förderung, die auf die Vereinbarkeit von Beruf und häuslicher Arbeit abziele, verdopple die „altbekannten Zuständigkeiten der Frauen“. Die männlichen Seilschaften sorgen dann für den Rest.

Tatsächlich aber ist die Lage der Wissenschaftlerinnen noch viel schlimmer. Diskriminiert wird nicht nur bei den Berufungen, diejenigen Frauen, die den Sprung in eine Leitungsfunktion geschafft haben, werden auch noch viel schlechter bezahlt als die männlichen Kollegen. Zudem zeigt Rüttgers Zusammenstellung auch, daß der Anteil von Frauen, die eine unbefristete Stelle innehaben, bei den meisten der Großforschungseinrichtungen überproportional hoch ist.

Beispielhaft sei hier die Max- Planck-Gesellschaft (MPG) mit ihren über 70 Forschungsinstituten und mehr als 11.000 MitarbeiterInnen herausgegriffen. Für 1995 verzeichnete das MPG-Jahrbuch einen Anteil weiblicher Beschäftigter von insgesamt rund 41 Prozent. Mit dem Aufstieg in der Institutshierarchie wird deren Anteil aber immer kleiner: 15 Prozent sind es bei den wissenschaftlichen MitarbeiterInnen, im wissenschaftlichen Mittelbau sinkt diese Zahl auf etwas über drei Prozent und von den 222 InstitutsdirektorInnen sind lediglich fünf weibliche Leiterinnen zu finden.

Hubert Markl, der vor wenigen Tagen erst zum neuen Präsidenten der MPG gekürt wurde, mußte in einem Interview kurz vor seinem Amtsantritt dann auch erkennen: „In der Tat gibt es innerhalb der MPG erschreckend wenige Direktorinnen.“ Auf die Frage, ob es bei der MPG eine Frauenquote geben werde, hat er aber eine klare Antwort: „Sicher nicht mit meiner Zustimmung.“

Rüttgers verweist in seiner Antwort auf das Hochschulrahmengesetz: Dort habe die Bundesregierung Mitte der 80er Jahre für die Hochschulen verpflichtend festgelegt, auf die „Beseitigung der für Wissenschaftlerinnen bestehenden Benachteiligungen“ hinzuwirken. Bis in die Berufungskommissionen scheint diese Verpflichtung jedoch noch nicht vorgedrungen zu sein.

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