: Geldverdienen à la Scientology
Immobilienmakler Kempe bildet ahnungslose Geschäftspartner mit Scientology-Methoden fort. Die verlieren ihre Kunden ■ Aus Berlin Michael Franken
Die Kleinanzeige war vielversprechend. „Mit Konzept erfolgreich – werden Sie Partner der Kempe Immobilien-Börse“. Warum nicht mal anrufen, dachte sich Wolfgang Möller. Der gelernte Industriekaufmann wollte schon immer ins Immobiliengeschäft einsteigen. Möller, wohnhaft in Mönchehofe bei Berlin, griff zum Telefon und vereinbarte einen Termin mit der Kempe Immobilien-Börse GmbH in Düsseldorf.
„Das Angebot überzeugte mich, denn der finanzielle Aufwand war nicht so groß“, erinnert sich Möller. Am 24. Januar 1995 unterschrieb er einen Franchise- Vertrag und zahlte wie rund 20 andere auch 25.000 Mark auf Kempes Konto bei der Deutschen Bank in Düsseldorf. Eine „schlüsselfertige Existenz“ offeriert Kempe in den Hochglanzbroschüren seiner Firma. Der Franchise-Kooperationsvertrag läuft fünf Jahre. Kempe bietet – laut Prospekt – vor allem Know-how, Seminare und Schulungen an und kassiert dafür aus den laufenden Geschäften monatliche Gebühren.
Alles in Ordnung, wäre Kempe nicht als Scientologe bekannt. „Ich hatte das Gefühl, da läuft alles sauber ab“, meint Möller. Doch schon bevor Wolfgang Möller seine ersten Anzeigen als frischgebackener Immobilienmakler schalten konnte, mußte er eine Trainingswoche in Düsseldorf absolvieren. Möller sollte einen Persönlichkeitstest machen. Da tauchten denn Fragen auf wie: Ist Ihre Stimme in der Tonlage eher monoton als abwechslungsreich? Oder: Singen und pfeifen Sie oft, einfach zum Spaß? Möller wunderte sich über die zum Teil völlig absurden Fragen. Doch er machte den Test, ahnte nicht, daß er identisch ist mit dem Psychotest, den die Seelenfänger des Sektenkonzerns Scientology auf offener Straße ahnungslosen Passanten anbieten.
Der zweite Teil der Ausbildung war noch merkwürdiger. Möller wurden die Vorzüge einer Tonskala erläutert. Auch diesmal ahnte er nicht, daß hinter dieser Methode Scientology pur steckte. Und selbst beim dritten Teil der Ausbildung wurde er noch nicht stutzig. Es ging um den Kurs, „wie man effektive Kommunikation erreicht“. Autor: Sektengründer L. Ron Hubbard. In der Einladung zu diesem Kurs heißt es: „Dieser Kurs wurde für viele der erste Schritt in ein neues Leben.“ Den gleichen Kurs kriegt man auch wenige hundert Meter weiter in der Düsseldorfer Friedrichstraße angeboten. Dort befindet sich die rheinische Geschäftsfiliale von Scientology. „Kempe will über die Franchise- Schiene neue Leute für Scientology gewinnen“, so Nobert Potthoff, ehemaliger PR-Manager der Sekte in Düsseldorf. Tatsächlich haben zahlreiche Franchise-Nehmer der taz bestätigt, daß sie sich durch die Crash-Kurse bei Kempe „irgendwie“ verändert haben.
Bei Wolfgang Möller fiel der Groschen erst Monate nach den Kursen, genauer gesagt am 20. September 1995: Es ging um ein Immobiliengeschäft in Berlin, Wert 66 Millionen Mark. Keine Kleinigkeit für den Jungmakler. Doch dann stiegen Vertreter der beteiligten Wohnungsgenossenschaft aus. „Die machten mich als Franchise-Nehmer darauf aufmerksam, daß Klaus Kempe Scientologe sei. Und mit denen würden sie keine Geschäfte machen“, erinnert sich Wolfgang Möller.
Ein Schock für Möller. Er hatte zwar unter Kempe Immobilien- Börse eifrig inseriert und bis dato auch so manches kleinere Geschäft abgewickelt. Mit Scientology hatte er absolut nichts im Sinn. Zwei Tage später erhielt er einen weiteren Brief. Wieder ging es um ein Millionengeschäft. Darin hieß es diesmal: „Wie uns von Dritten mitgeteilt wurde, ist Herr Kempe Mitglied der Scientology-Organisation.“ Und wieder wurde die Geschäftsbeziehungen aufgekündigt. Möller fiel aus allen Wolken.
„Daß Klaus Kempe und auch seine Frau Marietta Kempe Scientologen sind, darüber besteht überhaupt kein Zweifel“, sagt Aussteiger Potthoff. Ihre Namen tauchen jedenfalls häufig auf den sogenannten Impact-Listen von Scientology auf. Das ist die internationale Spenderliste, die namentlich jeden aufführt, der für die sogenannte Kriegskasse des Psychomultis mehr als 40.000 US-Dollar gespendet hat. Außerdem wurde der taz ein Brief zugespielt, den Kempe bereits im Juni 1995 an den Ring Deutscher Makler (RDM) geschrieben hat. Darin heißt es: „Der RDM verbietet seinen Mitgliedern nach der Arbeitsweise von L. Ron Hubbard zu arbeiten. Da ich diese Arbeitsweise seit 12 Jahren sehr erfolgreich einsetze und mir grundsätzlich keine Arbeitsweise vorschreiben lasse, erkläre ich meinen Austritt.“
Möller kündigte inzwischen den mit Kempe vereinbarten Vertrag. Er will mit Scientology nichts zu tun haben und von Kempe rund 20.000 Mark zurück, die er an Franchise-Gebühren gezahlt hat. Wie ihm ist es auch Regina Kroll im sächsischen Zöllmen, Anke Leuschke in Berne bei Bremen und etlichen anderen Franchise- Nehmern in den letzten Monaten ergangen. Sie fühlen sich arglistig getäuscht. Denn Kaufverträge platzten, weil die Kunden hinter der Kempe Immobilien-Börse eine der Tarnorganisationen von Scientology vermuteten.
Anke Leuschke will Kempe nun sogar verklagen. Die Aussichten auf einen Erfolg sind nicht schlecht. Schon vor zwei Jahren wurde Kempe vom Regierungspräsidenten in Düsseldorf per Gerichtsbeschluß die Ausbildungsbefähigung entzogen. Der Grund: Kempe hatte angehende Immobilienkaufleute ebenfalls mit Psychopraktiken der Sekte konfrontiert. In der Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts (Aktenzeichen: 3L 4227/93) heißt es: Es sei im Rahmen der Ausbildung „planmäßig zu Versuchen gekommen, Auszubildende im Sinne der Scientology-Sekte zu beeinflussen oder für deren Ziele zu gewinnen. Ein solches Verhalten des Ausbilders verletzt das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen.“
Unterstützung signalisierte auch der Deutsche Franchiseverband: „Was der macht, hat nichts mit seriöser Franchise-Partnerschaft zu tun, man kann vor diesem Angebot nur warnen“, sagt Hans Lang, Sprecher des Verbands. Anfang Mai inserierte Kempe trotzdem wieder. Diesmal unter der Rubrik Existenzen. Sein Angebot: Wie mache ich mich als Immobilienmakler selbständig?
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