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Weiter in Haft

■ Was sollte Hennemann eigentlich vertuschen? / BvS kontrollierte nicht

Ex-Vulkan-Chef Friedrich Hennemann bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Das hat die Bremer Staatsanwaltschaft gestern erklärt. Welche Zusammenhänge – außer eventuell private Steuerflucht-Pläne – diese Maßnahme begründen könnten, ist nicht erkennbar. Daß Hennemann die Transaktion der 850 Millionen Mark Treuhand-Gelder verschleiern könnte, wie es im Haftbefehl unterstellt wurde, scheint wenig wahrscheinlich. Denn auch der Bundesrechnungshof hat in seinem streng vertraulichen Bericht jüngst nur bestätigt, was über die Fakten in einem früheren Gutachten der KPMG-Wirtschaftsprüfgesellschaft schon zu lesen war. Mit einem Zusatz: Der Bundesrechnungshof machte deutlich, daß in verschiedenen Phasen die Treuhand und die Treuhand-Nachfolgegesellschaft BvS ihre Kontrollaufgabe grob vernachlässigt hat.

Erster Vorwurf: Die Treuhand, so der Bundesrechnungshof, habe die Bonität des Vulkan nicht ausreichend geprüft und somit nicht sichergestellt, daß der Vulkan den vertraglich zugesicherten „Eigenanteil“ an den Ost-Investitionen realisieren kann.

Zweiter Vorwurf: Die Treuhand hat 1,3 Milliarden Mark noch vor Genehmigung durch Bund und EU ausgezahlt. Insbesondere hatte die Treuhand die Millionen-Beträge ausgezahlt, ohne daß geprüft wurde, wann sie wirklich gebraucht werden. Das bedeutet: Während die Treuhand sich die Investitionssummen bei der Bank borgen muß, kassiert der Vulkan auf seinen Konten für nicht gebrauchte Gelder insgesamt laut KPMG-Gutachten 275 Millionen Mark an Zinsen.

Dritter Vorwurf: Der Abfluß der Ost-Millionen auf West-Konten muß der Treuhand/BvS seit 1993 bekannt gewesen sein. Am 20.12.1993 schrieben die Treuhand-Vorstände ausgerechnet an Hennemann: „Entgegen der ursprünglichen Zusicherung von seiten des Bremer Vulkan“ seien Gelder im Westen verwendet worden. Die Treuhand-Chefs werden nicht mißtrauisch, sondern erinnern nur vertrauensselig daran, daß die Gelder den Ostunternehmen auf Anforderung zur Verfügung stehen müssen und daß die begünstigten Westfirmen die Gelder deshalb durch Bankgarantien absichern müßten. Kontrolliert wurde dies von der Treuhand aber nicht.

Ende 1993 kritisierte auch EU-Kommissar van Miert, daß 463 Millionen Fördermittel der MTW Wismar auf Westkonten des Vulkan gelandet sind. Das Bundeswirtschaftsministerium beruhigte van Miert: Zugriff auf die Gelder bestehe „nur mit Zustimmung der Bundesregierung“. Auch die Bundesregierung kontrollierte aber nichts.

Das KPMG-Gutachten hat im Detail aufgelistet, welche größeren Summen aus dem Cash-Management des Vulkan entnommen wurden, die nur den Zuflüssen der Ost-Gelder zuzuordnen sind. Kaum ein Quartal gibt es da, in dem nicht zwischen 10 und 30 Millionen „Liquiditätshilfen“ an die notleidende Firma Dörries-Scharmann abgeflossen sind. 180 Millionen Mark aus dem „Cash Management“ brauchte der Vulkan, um die Senator-Line zu entschulden, die jahrelang dem Vulkan seine Schiffe zu überhöhten Preisen abgekauft hatte. Der Anteilserwerb an Atlas Elektronik kostete den Vulkan 131 Millionen, diverse kleinere Firmen-Käufe und Liquiditätshilfen machen eine eindrucksvolle Liste aus. Unter dem Strich stellte die KPMG „nicht vertragskonforme Mittelverwendung“ von 715 Millionen fest: „Wir haben Grund zu der Vermutung, daß bei ordnungsgemäßer Geschäftsführung die drohende Liquiditäts- bzw Finanzkrise spätestens Ende 1994 hätte erkannt werden müssen. Nur die bewußte Hereinnahme der Geldanlagen der Ostbetriebe führte planerisch zu einer gewissen Entspannung der Liquiditätslage.“ K.W.

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