: Verringerung von PVC stößt auf SPD-Kritik
Nordrhein-Westfalens grüner Bauminister empfiehlt Verzicht auf giftigen Kunststoff ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
In der rot-grünen Koalition in Nordrhein-Westfalen kracht es mal wieder gewaltig. Diesmal ist der Stein des Anstoßes ein Brandschutzerlaß, in dem der grüne Bauminister Michael Vesper die Bauaufsichtsämter in NRW auffordert, den Bauherren von Sonderbauten wie Flughäfen oder Krankenhäusern zu „empfehlen“, künftig „weitestgehend“ nur solche Baustoffe zu verwenden, „die frei von Halogenen sind“. Dem Düsseldorfer Wirtschaftsminister Wolfgang Clement stieß dieser Erlaß, von dem er am Sonntag angeblich erstmals aus dem Spiegel erfuhr, bitter auf. „Mit aller Deutlichkeit und Schärfe“ protestierte der Sozialdemokrat: „Es gibt kein PVC-Verbot in NRW und es wird auch keines geben“.
Von einem Verbot ist in dem Erlaß indes gar nicht die Rede. Doch auch in der jetzigen Form geht der Vesper-Vorstoß Clement zu weit. So sei der Erlaß für seinen Chef „nicht akzeptierbar“, sagte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums am Montag. Das Wirtschaftsministerium verlange eine „Revision“. Möglicherweise strebt Clement dazu eine Kabinettsentscheidung an. Mit dem Erlaß vom 21. Mai reagierte Vesper auf den katastrophalen Brand am Düsseldorfer Flughafen, bei dem Anfang April siebzehn Menschen ums Leben kamen. Ob PVC zur rasanten Ausbreitung des Feuers beigetragen hat, steht noch dahin. Sicher ist aber schon heute, daß durch das Verbrennen von PVC-Kabeln und anderen PVC-Produkten große Mengen von hochgiftigen Dioxinen und Furanen freigesetzt wurden. Hohe Dioxinrückstände im Ruß zeugen davon. Wegen der hochgradigen Verseuchung gestalten sich die Reinigungsarbeiten äußerst kompliziert und aufwendig. Große Teile des Flughafens müssen möglicherweise sogar ganz abgerissen werden.
Weil es gefährlich und teuer wird, wenn PVC brennt, könnte der Vesper-Erlaß auch ohne die Verbotsdrohung nachhaltige Wirkungen erzielen. Alle Bauherren, die nicht auf halogenhaltige Baustoffe verzichten wollen, soll die Bauaufsicht künftig gezielt ansprechen und auf „geeignete Ersatz- und Zusatzmaßnahmen“ hinwirken, die „das erhöhte Risiko durch Verwendung nicht optimaler Baustoffe kompensieren“. Einen Zwang für solche – gegebenenfalls kostspieligen – Mehraufwendungen sieht der Erlaß indes nicht vor. Vesper vertraut auf die besseren Argumente, auf sanften Druck – und auf die Angst vor Schadenersatz. Die Beratung soll die Behörde in jedem Fall „aktenkundig“ machen. Auch diese Vorschrift könnte einiges bewirken, da der schwarze Peter in Falle eines neuerlichen Brandinfernos nun beim Bauherren läge. Derartiger Druck ist im Bauministerium auch erwünscht, obwohl man offiziell dazu schweigt und lediglich von einer „fachlichen Beratung“ spricht.
Während Clement mit Blick auf die Arbeitsplätze in der PVC-Industrie vor dem Erlaß warnt, forderte die SPD-Bundestagsfraktion erst jüngst in einem Bundestagsantrag ein Maßnahmeprogramm zur Einschränkung von PVC-Produkten.
Der Einsatz von PVC, so die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulla Burchardt, sei nicht nur unter ökologischen, sondern auch unter ökonomischen Aspekten kritisch. Genau darauf hat Vesper per Erlaß hingewiesen.
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