piwik no script img

Dresche vom Kanzler für den Senat

■ Innensenator Schönbohm kündigt nach den Farbeiern auf das Papamobil Konsequenzen für gezielt agierende Störer an

Beim Besuch von Staatsgästen und anderen umstrittenen Großereignissen wird die Polizei die Sicherheitsschraube vermutlich noch mehr anziehen als bisher. Nach den Farbeiern auf das „Papamobil“ des Papstes am vergangenen Sonntag hat Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) angekündigt, alle Möglichkeiten prüfen zu lassen, um gegen gezielt agierende Störer „in rechtsstaatlich gebotener Weise“ vorzugehen. Auf einer „großen Lagebesprechung“ Anfang Juli werde Schönbohn mit den Sicherheitsbehörden alle notwendigen Konsequenzen aus dem Einsatz ziehen, erklärte gestern die Sprecherin der Senatsinnenverwaltung, Fancine Jobatey.

Im Gegensatz zu Bundeskanzler Helmut Kohl findet Schönbohm aber, daß die Polizei am Sonntag mit ihrer „vorbildlichen“ Arbeit die Hauptstadtfähigkeit Berlins unter Beweis gestellt hat. Der Kanzler hatte am Dienstag auf einer Sitzung des CDU-Präsidiums in Bonn über die „beschämenden“ Vorfälle beim Papstbesuch geschimpft und ganz unverhohlen gedroht: Wenn der Senat solche Geschehnisse künftig nicht ausschließen könne, müsse die Bundesregierung sich überlegen, ob sie Staatsgäste weiterhin noch nach Berlin einladen könne. „Darüber wird mit den entsprechenden Stellen noch zu reden sein“, kündigte Kohl an.

Zu den Äußerungen des Kanzlers war von Schönbohm keine Stellungnahme zu erhalten. Unmittelbar nach den Farbeiern auf das Papamobil hatte der Innensenator erklärt, solche „bedauerlichen Vorfälle“ seien in einer Demokratie nun mal „nicht völlig zu verhindern“.

Schönbohm ist bekannt dafür, daß er das Recht auf freie Meinungsäußerung bei jeder sich bietenden Gelegenheit im Munde führt. Doch die Praxis sieht anders aus. Bei der Gelöbnisfeier am Schloß Charlottenburg habe die Polizei Demonstranten selbst die „kleinsten Stücke Papier“ weggenommen, wenn sich darauf eine Protestnote befand, so die stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast. Und der Sicherheitsabstand werde offenbar auch nicht mehr nach Wurfweite, sondern nach Straßenzügen berechnet. „Schönbohm gibt sich gern moderat. Aber wir trauen ihm zu, daß er auf einmal den ganzen Katalog an Repressionsmaßnahmen aus der Tasche zieht.“

Von der Polizei war keine offizielle Stellungnahme zu erhalten. „Bei entsprechender Order können wir natürlich dafür sorgen, daß bei Staatsbesuchen kein einziger Pfiff mehr zu hören ist“, verlautete aus Polizeikreisen. „Die Frage ist nur, wie das mit dem Rechtsstaat korrespondiert.“ Der Sprecher des Erzbistums Berlin, Andreas Herzig, erklärte, der Papst selbst habe mit Protesten gerechnet: „Er lebt nicht nur im Glashaus.“ In den USA und Chile habe es ganz andere Vorkommnisse gegeben als in Berlin. Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen