: Soldaten des Papstes ziehen in Kaserne
■ Fundamentalistische „Neokatechumenale Gemeinschaft“ will auf dem Gelände der McNair-Kaserne ein Priesterseminar errichten. Deal zwischen Vatikan und Bonn. Bistum Berlin gibt keine Kirchensteuern
Mit dem Besuch ihres Oberhauptes Papst Johannes Paul II. im Rücken gehen die katholischen Fundamentalisten in Berlin in die Offensive: Die konservative „Gemeinschaft des neokatechumenalen Weges“ will auf dem Gelände der ehemaligen McNair-Kaserne in Steglitz ein Priesterseminar und ein Bildungszentrum errichten. Ein Kaufangebot für das etwa 20.000 Quadratmeter große Teilstück der ehemaligen US-Kaserne liegt der Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin unterschriftsreif vor.
Der Grundstückskauf ist von höchster Stelle abgesegnet: Bei einem Treffen mit Bundeskanzler Helmut Kohl im Februar regte der Vatikan-Bischof Paul-Josef Cordes an, die Bundesregierung solle dem Papst zu seinem Deutschlandbesuch das Gelände für den Priesternachwuchs schenken. Kohl habe die Kirchenvertreter an das Bundesfinanzministerium verwiesen, bestätigte Helmut John von der OFD. Über den Kaufpreis wollte er keine Angaben machen, doch der dürfte zwischen 10 und 20 Millionen Mark liegen. John betonte, einen Sonderpreis für die KatholikInnen habe es trotz des Wohlwollens aus Bonn und aus dem Vatikan nicht gegeben.
Ein eigenes Priesterseminar wäre für die „neokatechumenale Gemeinschaft“ ein großer Schritt auf dem Weg zur konservativen Unterwanderung der Diözese Berlin. Denn bisher darf die Gemeinschaft nur seit 1993 einen ausdrücklich als Experiment bezeichneten Priesterseminarkurs für ausgewählte Mitglieder betreiben. In dem Haus „Redemptoris Mater“ (Mutter des Erlösers) in Lichterfelde werden etwa 20 angehende Priester vor allem aus Italien ausgebildet. Anders als deutsche Kandidaten besuchen sie nicht die Universität, sondern bekommen Unterricht durch eigens eingeflogene Professoren aus Rom. Deutsche Kandidaten studieren in Erfurt oder Paderborn. Ein eigenes Seminar in Berlin in der Hand der Neokatechumenen könnte bedeuten, daß bald alle Berliner Priester dort auf konservative Richtung getrimmt würden. Die Bewegung predigt eine Bekehrung der Menschen durch eine erneute Taufe und gilt innerkirchlich als Vollstrecker des päpstlichen Willens bei der Missionierung des ehemals kommunistischen Ostens.
Kircheninterne Kritiker werfen der Gemeinschaft vor, eine „arrogante neue Form des Kolonialismus“ zu betreiben. Trotz Warnungen vor dieser „katholischen Sekte“ hat der Berliner Kardinal Georg Sterzinsky das Priesterseminar zugelassen, um den drängenden Priestermangel zu bekämpfen: Nach Abschluß ihres Studiums verpflichten sich die Neokatechumenalen, in Berlin fünf Jahre als Pfarrer zu arbeiten.
Von der Gemeinschaft „Redemptoris Mater“ wurden die Kaufabsichten bestätigt, eine Stellungnahme zur millionenschweren Finanzierung war allerdings nicht zu erhalten. Obwohl das Erzbistum Berlin die Priesterausbildung der Neokatechumenalen finanziert, betrachtet die Verwaltung die Ausbreitung der konservativ- papsttreuen Gemeinschaft mit Skepsis: Kirchensteuergelder wird es für den millionenschweren Kauf des McNair-Geländes nicht geben, erklärte Waltraud Bilger von der Pressestelle des bischöflichen Ordinariats. Schließlich klafft im Haushalt von insgesamt 335 Millionen Mark ein Loch von 70 Millionen. Bernhard Pötter
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