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Hauptsache Kirchenschelte -betr.: "Gebührenordnung statt Barmherzigkeit", taz vom 17.6.1996

Betr.: „Gebührenordnung statt Barmherzigkeit“, taz vom 17.6.

Ein merkwürdiger Vorgang. Ein protestierender Anruf aus einer katholischen Kirchengemeinde in Duisburg, wie es sein könnte, daß einem Freigänger der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen vom Evangelischen Bildungswerk kein Gebührennachlaß für den Besuch eines EDV-Kurses gewährt werde, wie ihn Arbeitslose bekommen. In der Tat ein Anlaß zu protestierender Nachfrage, doch der Adressat dieser Nachfrage stimmt nicht: der Anbieter des EDV-Kurses war nicht das Bildungswerk evangelischer Kirchen, zu dessen Bildungsangebot (noch) keine EDV-Kurse gehören und für das ein reduzierter Teilnahmebeitrag selbstverständlich wäre, sondern die Evangelische Familienakademie.

Drei Wochen später ist ein großes Medienereignis aus dem merkwürdigen Vorgang geworden mit dem taz-Vorwurf einer kirchlichen Bereicherung am „armen Knacki“. Daß ein freier Verein nachfragenswerte Dinge macht, ist kein Thema für einen Zeitungsaufmacher, also muß „Kirche“ ins Spiel. Und so muß die Evangelische Familienakademie flugs unter das Dach des Bildungswerks gebracht werden, um über das Bildungswerk die BEK auf die Anklagebank setzen zu können. Leider wieder einmal ein Beispiel dafür, daß die Gesetze journalistisch verantwortlichen Handelns bei der taz mitunter sehr klein geschrieben werden.

Um nun aber nicht bei einer Medienschelte zu enden: Der allseits unerfreuliche Vorgang könnte in der Richtung lehrreich sein, daß er zeigt, in welche Konflikte Bildungseinrichtungen geraten, die sich vornehmlich am „Markt“ ausrichten und zu behaupten haben. Wer die soziale Ausrichtung von Bildungsprogrammen will, muß auch in Zeiten finanzieller Engpässe zur Subventionierungssäule in der Finanzierung von Bildungseinrichtungen und ihrer Programme stehen. Hans-Gerhard Klatt, Leiter des Bildungswerks

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