"Ich war ja sogar in ,E. T.+"

■ Elvis Costello wird immer reifer. Seinen Songs ist er ein gnädiger Schöpfer, seinen Partnern ein kreatives Pendant. Die Jugend von heute versteht er nicht mehr so ganz, was okay so ist. Bilanz positiv - nur a

taz: Mr. Costello, wenn Sie Ihren Beruf angeben müssen, sagen Sie dann „Songschreiber“?

Elvis Costello: Wahrscheinlich würde ich „Künstler“ eintragen. Denn Künstler müssen nicht erfolgsorientiert denken. Ansonsten: Ja, ich bin ein Songwriter. Ich bin zwar unfähig, ein Kreuzworträtsel zu lösen, kann dafür aber Worte rhythmisch aneinanderfügen. Oder diesen Rhythmus heraushören, wenn ich etwas lese oder mit jemandem spreche. Das ist dann häufig der Beginn eines neuen Songs.

Sie gelten als Songfabrik.

Ich lebe davon, sehr viele Stücke geschrieben zu haben, nicht davon, einmal einen Hit gelandet zu haben. Und weil das so ist, brauche ich mir keine Sorgen zu machen. Nicht über mein Leben und nicht, ob ich meine nächste Platte finanziert bekomme.

Denken Sie dabei noch an Ihr Publikum?

Mir macht der Gedanke Spaß, daß da draußen jemand nur meine ersten drei Alben gekauft hat. Jemand anders kaufte sich nur „The Juliet Letters“, weil ihm die Streicher so gefallen haben. Weil ihm alles andere, was er von mir gehört hat, wie eine Anballung von Krach vorkam. Vielleicht hat er durch die Streicher einen Schlüssel gefunden, wie er sich in „All This Useless Beauty“ hineinhören kann.

Er wird vor allem feststellen, daß Ihre Musik mehr Biß hat, wenn Sie mit Ihrer Band „The Attractions“ unterwegs sind.

Stimmt. „Blood & Chocolate“ war kathartisch, „Brutal Youth“ auch. Aber diese Soundformel hätte sich abgenutzt, wenn ich die Band nicht zwischenzeitlich aufgelöst hätte.

Sie haben immer wieder Kooperationen gesucht – zum Beispiel mit Chet Baker.

Ja, wir haben zusammen Musik aufgenommen. Ich weiß nicht, ob wir Freunde waren. Er spielte einmal ein Trompetensolo auf einem meiner Songs. Ich empfand es so, als ob ich eine Frau gewesen wäre, die auf ihrem Balkon steht, und unten auf der Straße steht ihr Verehrer und spielt ihr ein Lied auf der Trompete.

Sie haben auch mit Paul McCartney zusammengearbeitet. Oder Brian Eno.

Ja, es hat ja sogar Fälle gegeben, daß man Songs zusammen geschrieben hat. Ob ein solcher Song dann ebenso gut ist wie das, was jeder einzelne für sich als gut empfindet, ist gar nicht so sehr die Frage. Wichtiger ist, daß man von einer solchen Zusammenarbeit viel lernt.

Übernehmen Sie dabei auch Produktionsweisen?

Es ist tatsächtlich so, daß wir auf „All This Useless Beauty“ Technik benutzt haben, die ich noch nie vorher in Betracht gezogen hatte. Das gibt ihr eine moderne Leichtigkeit. Wir haben zum ersten Mal Loops benutzt, also Soundschleifen, die sich ständig wiederholen, anstatt einen Rhythmus eins zu eins aufzunehmen. Es gibt aber auch Stücke, die in der Demofassung belassen sind – ganz unpoliert.

Demo Magic.

Genau! Das ist es, was alle Produzenten hassen, wenn du ihnen sagst: Ich möchte, daß es genauso klingt wie auf dieser Kassette aus dem Übungsraum. Sie werden es nämlich nicht hinbekommen und es dir mit Philosophien begründen. Aber manchmal ist die erste Idee, die erste Skizze, der grobe Entwurf bereits das fertige Album. Wir sprechen hier von Vertrauen. Ebenjenem Vertrauen, das man gegenüber den eigenen Ideen entwickeln sollte.

Weshalb stammen die Songs auf „All This Useless Beauty“ dann aus einem vergleichsweise langen Zeitraum?

Der Grund ist einfach, daß ich mir Zeit gelassen habe. Ich habe jedem einzelnen Song erlaubt, sich zu entscheiden, wohin er wollte.

Menschen in Ihrem Alter beginnen häufig, sich nach Sicherheit zu sehnen. Man muß sich bloß einen Musiker wie Eric Clapton angucken.

Ich glaube, daß ich mich zum Gegenteil entwickele, hin zum Altersleichtsinn. Als ich vor Jahren mit dem Aufnehmen von Liedern begann, war ich Perfektionist, wollte die totale Kontrolle über sämtliche Arbeitsschritte, verausgabte mich geradezu wahnhaft. Heute mag ich gerade das Nichtvoraussagbare an Duetten und an der Zusammenarbeit mit anderen Musikern. Ich leiste es mir, Rohfassungen von Stücken zu veröffentlichen, weil ich den Soul liebe, der in diesen Song-Skizzen liegt. Das Album, das ich mit Bill Frisell aufgenommen habe, ist ein solches Work-in-Progress. Meine Aufnahme mit Brian Eno für den „X-Files“-Soundtrack ebenfalls. Mich interessiert die Magie, die ab dem Zeitpunkt und durch die Tatsache entsteht, daß die Bandmaschine angeschaltet wird. Wenn alle Beteiligten wissen: Jetzt wird's ernst.

Welchen Einfluß hat das auf Ihre Live-Präsenz?

Jedesmal, wenn ich einen Song singe, dann versuche ich ihn anders zu singen als die Male vorher. Ich verändere Phrasierungen und Betonungen. Ich mache es aber weniger extrem als Bob Dylan zum Beispiel. Das ist bei mir subtiler, aber auch unmerklicher.

Das Subtile ist vielleicht der Grund, weshalb man als Hörer für „All This Useless Beauty“ einen Anlauf mehr als gewöhnlich braucht.

So ist die Welt, so bin nicht ich. Das ist einer dieser Fälle, wo ich recht habe, und alle anderen liegen falsch. Ich sage Ihnen: So muß Musik heute klingen. Meine Musik zumindest. Aber ich weiß, was Sie meinen. Als ich im Taxi saß, hörte ich ein schreckliches Programm im Autoradio. Draußen Straßenlärm und Flugzeuge, die die Stadt überflogen. Wenn man all dies vor Augen hat, und das ist nun einmal urbane Realität, dann hat es „All This Useless Beauty“ schwer. Es gibt viel Ablenkung heute. Was früher einmal ein lautes Geräusch gewesen ist – heute würden wir es gar nicht mehr wahrnehmen.

Aha.

Wenn Gioacchino Rossini in einer Oper mit dem Orchester einen Sturm simulieren wollte, dann ist das heute nichts gegen den Sturm, der einem aus Verstärkertürmen entgegenschallt. Wir haben die Musik buchstäblich und im wahrsten Sinne des Wortes getötet.

Meinen Sie nicht, Sie übertreiben ein wenig in Ihrem Kulturpessimismus?

Wir haben sie ein bißchen getötet.

Waren Sie überrascht, als Bret Easton Ellis mit „Less Than Zero“ einen Ihrer ersten Songs als Titel für seinen Roman über seine Definition der „Generation X“ benutzt hat?

Ich habe das Buch nur flüchtig quergelesen. Ich stellte sehr bald fest, daß die in dem Buch beschriebenen Menschen mich überhaupt nicht interessierten. Weder ihre Gedanken noch ihr Leben.

Auch nicht, daß möglicherweise eine sehr reale Generation porträtiert wurde, die mit weniger Orientierungspunkten und mehr Geld aufwuchs als Sie selbst?

Wissen Sie, es gibt in England im Moment einen Film, den alle ganz toll finden: „Trainspotting“. In diesem Film geht es um ein paar schottische Junkies. Aber wen interessiert das?

Haben Sie den Film gesehen?

Ich persönlich möchte mich nicht mit einem Haufen schottischer Junkies in einem Raum aufhalten. Es interessiert mich auch nicht, wie lustig sie sich benehmen oder wie süß sie gucken. Ich bin nämlich schon einmal mit schottischen Junkies in einem Raum gewesen, und sie waren langweilig und schweigsam. Schottische Junkies langweilen zu Tode. Die wenigsten Menschen, die auf Heroin sind, sind kreativ und brillant. Es gibt ein paar Jazzmusiker, es gibt William S. Burroughs, Art Pepper – nicht mehr als eine Handvoll. Das Problem mit der Droge ist, daß viele Menschen, die gerne die verwegene Aura von Miles Davis hätten, sie aber nicht haben, weil sie zu ängstlich und unsicher sind, zur Droge greifen. Sie sehen nur das romantische Geheimnis, haben aber nicht die Courage, den Lebensstil zu leben. Sie glauben, die Droge sei der Lebensstil.

Gefiel Ihnen der dritte Teil von Coppolas „Paten“? Ein Song von Ihnen fand im Soundtrack Verwendung.

Der Film war ganz nach meinem Geschmack. Mir gefiel ja sogar im Gegensatz zu allen anderen Sofia Coppola. Aber Songs von mir tauchen in vielen Filmen auf, ich war ja sogar in „E. T.“ dabei. Einer der Schauspieler singt ein Stück von mir vor sich hin, und ein Poster von mir hängt in einem Zimmer. So etwas macht mir Spaß – mir vorzustellen, wie das sein wird, wenn ich einmal alt sein werde und mich dann an früher erinnere, ich mir diesen berühmten alten Film ansehe und mein Bild mit 23 im Kino sehe.

Sind Sie ein Klassiker zu Lebzeiten?

In erster Linie ist es ein Gradmesser der eigenen Popularität. Ist man berühmt genug, wird man zu einem Puzzlestück im Zitatwortschatz der Regisseure und Drehbuchschreiber. Das Absurdeste war, daß ich einmal in „Detektiv Rockford“ aufgetaucht bin. Irgendein Nebendarsteller sagt: „Ich habe Tickets für das Elvis-Costello-Konzert.“ Ab einem bestimmten Grad von Berühmtheit wird der eigene Name zum öffentlichen Eigentum. Interview: Maximilian Dax

Costello auf Kurztour: 2. Juli, Freiburg (Zeltmusikfestival), 3. Juli Hamburg