: Umweltschützer gegen Gammelfischer
Beim Versuch, den industriellen Fischfang in der Nordsee zu unterbinden, wird das Greenpeace-Schiff „Sirius“ von dänischen Fischtrawlern hart angegangen ■ Von den Shetlandinseln Hans-Jürgen Marter
Ein Jahr nach den Ereignissen um die Brent Spar macht Greenpeace mal wieder hohe Wellen in der Nordsee. Doch ist es dieses Mal nicht die Ölindustrie, die ins Fadenkreuz der Umweltschutzorganisation geraten ist, sondern die Fischereiindustrie. Vorrangig dänische Trawler betreiben den industriellen Fischfang entlang der schottischen Küstengewässer. Aus den feinmaschigen Netzen gibt es kein Entkommen.
„Wir müssen unsere gewaltfreien Proteste fortsetzen“, erklärt Meeresbiologe Stefan Flothmann an Bord des Greenpeace-Schiffes „Sirius“, nachdem es von dem dänischen Fischerboot „Mette Ellson“ gerammt wurde. Leuchtspurmunition jagte über die Köpfe der Umweltaktivisten, Enterhaken flogen an Bord, und vorgestern meldete Greenpeace einen granatenähnlichen Sprengsatz, der knapp vor der Bordwand eines Schlauchboots explodierte.
Zuvor waren Aktivisten vor den Kutter „Jannie“ ins Wasser gesprungen und hatten von Schlauchbooten aus eine aufblasbare Sperre gelegt. Mit Hilfe von Bojen wurden die Schleppnetze am Sinken gehindert. Dänische Fischer stachen daraufhin mit Messern und Stangen auf die Greenpeace-Schlauchboote ein. Leuchtspurmunition landete in einem mit fünf Aktivisten besetzten Schlauchboot. Bereits vergangenes Wochenende hatten die Greenpeace-Aktivisten einen englischen Trawler vertrieben.
Im Mai hatte Greenpeace der Öffentlichkeit eine Karte mit Fisch-Schutzgebieten an den Küsten der Nordsee vorgelegt, in denen nach Ansicht der Umweltschützer der industrielle Fischfang sofort eingestellt werden müsse. Eines dieser Schutzgebiete liegt um die Sandbank „Wee Bankie“ östlich von Edinburgh. Hier patrouilliert derzeit die „Sirius“, unterstützt durch ein zweites Greenpeace-Schiff, die „Arctic Sunrise“. Das Gebiet der Wee Bankie versorgt die umliegenden Vogelkolonien auf der Isle of May und dem Bass Rock mit Sandaalen. Mindestens zwanzig dänische Fangschiffe befinden sich derzeit in dem Areal.
Die sogenannte Gammelfischerei gilt als besonders umweltzerstörend, weil die Fischer Sandaale, Sprotten oder Stintdorsche in riesigen Mengen nahezu unkontrolliert fangen. Diese als Speisefisch uninteressanten Tiere sind aber die Nahrung für Kabeljau, Hering, Seevögel und Meeressäuger. In den nur 5 bis 16 Millimeter engen Maschen werden zudem große Mengen an Jungtieren von Speisefischen, etwa Heringen, gefangen.
Der Fang wird ausschließlich zu Fischmehl und Fischöl verarbeitet. Schätzungen von Greenpeace zufolge gehen auf diesem Wege etwa 1,2 Millionen Tonnen angelandeter Fische in die Industrieproduktion von Tierfutter, Backwaren oder Kosmetik. Der Hinweis auf tierisches Fett auf Lebensmittelverpackungen deutet allzuoft auf die Verwendung von Fischöl hin. Auf öffentlichen Druck hin haben inzwischen einige Supermarktketten wie Spar Asda und Safeway in Großbritannien ihren Ausstieg erklärt. Kekshersteller McVities will in Zukunft auf pflanzliche Öle oder Sojaprodukte zurückgreifen.
Vorgestern traf der dänische Ernährungsminister Henrik Dam Kristensen mit seinem britischen Kollegen Tony Baldry zusammen. Beide verteidigten die Gammelfischerei. Ein Einschreiten gegen Greenpeace sei aber nicht geplant, da es sich um internationale Gewässer handele. Um weitere Auseinandersetzungen zu verhindern, hat die britische Fischereiaufsichtsbehörde aber jetzt die „Shetland“ in die Region entsandt.
Die EU will zwar wegen der Leerfischung der Nordsee die Speisefischflotten um 40 Prozent reduzieren, „doch die Gammelfischer dürfen weiter alles fangen, was Flossen hat“, erklärt Greenpeace.
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