: Teures Rollkommando
■ Überfall auf Infostand der Republikaner: Landgericht verurteilte zu 1.500 Mark an amnesty international
Friedhelm R. knibbelt an der Lederbespannung des Zeugentisches. Der massige Enddreißiger ist immer noch einigermaßen aufgeregt: „Ich war sieben Wochen in einer psychosomatischen Klinik, wegen dem Schock. Und jetzt kriege ich immer noch Tabletten und Spritzen. Es war schon mal besser mit der Angst. Aber das ist schon schwer, darüber zu reden.“ Worüber Friedhelm R. so ungerne reden möchte, das ist der Morgen des 29. April letzten Jahres. Er habe doch nur seine Videokamera ausprobieren wollen, ums Eck, in Walle. Da hätten die Republikaner mit einem Infostand in der Vegesacker Straße gestanden, dahinter ein paar Gegendemonstranten, aber plötzlich sei es losgegangen. Rund 20 meist Vermummte stürmten den Platz, schlugen mit Latten auf den Infotisch ein, zertrümmerten, was zu zertrümmern war, „und plötzlich hat einer gerufen: Ey, nimm dem die Kamera ab. Da sind zwei auf mich los. Mit dem einen gab es ein Gerangel. Dann kam der andere von hinten und hat mir Tränengas in die Augen gesprüht.“ Da sei er zusammengebrochen. Und seitdem habe er diese Angst, die nicht weggehen will.
Wer da Friedhelm R. traktiert hat, das wird wohl nie mehr herauszubekommen sein. Gestern saß Dirk H. auf der Anklagebank im Bremer Landgericht, aber zumindest diese Tat war dem 26jährigen Studenten aus Rinteln nicht nachzuweisen. Zur Sache sagte er ohenehin nichts. Daß er beim Rollkommando gegen die Reps dabeiwar, das sah das Gericht allerdings als erwiesen an. Und dafür muß der junge Mann, der zu Hause bei seinen Eltern wohnt, bezahlen: Das Verfahren wurde gegen eine Geldbuße von 1.500 Mark eingestellt. Auf das Geld darf sich amnesty international freuen.
Dabei hatte es über lange Zeit gar nicht danach ausgesehen, als würde es noch zu einer Verurteilung kommen. Ohnehin hatte die Polizei nach dem Überfall auf die Reps, nachdem die AngreiferInnen blitzartig verschwunden waren, nur zwei junge Männer überprüft. Die Anklage gegen den einen war bald wieder fallengelassen worden. Nicht so die gegen Dirk H. Das ließ die Aktenlage nicht zu. Doch die bröckelte mit jedem Zeugen mehr. Erst wollte Friedhelm R. den Angeklagten als Täter erkannt haben. Die Aussage zog er aber zurück. Er habe H. auf der Polizeiwache sitzen sehen, da sei die Aufregung eben mit ihm durchgegangen. Nein, er könne ihn nicht identifizieren. Und der zweite Belastungszeuge, der ausgesagt hatte, daß H. „definitiv dabei war“, der verwickelte sich in immer größere Widersprüche, obwohl er als Zeuge geübt ist. Sein Name: Ralf Riedemann, Vorsitzender der Bremer Reps und Polizeibeamter. „Ich hatte bei dem Informationsstand die Leitung.“ Er wollte H. erst erkannt haben, dann wieder nicht, dann meinte er, H. habe eben in das Gesamtbild des Rollkommandos gepaßt – bis H's Anwältin drohte, ein Protokoll von Riedemanns Aussagen zu beantragen. Die waren komplett unbrauchbar.
Den Ausschlag gab am Ende die Aussage des Polizisten, der H. festgenommen hatte. H. habe sich auf einem Kirchhof unter einem Gebüsch versteckt, und in seiner Tasche sei eine Dose CS-Gas gefunden worden. Das genügte für eine Verurteilung wegen Landfriedensbruchs, zumal H. im letzten Jahr schon einmal aufgefallen war, als er sich mit Waffen auf den Weg zu einer Demo gemacht hatte. Eine relativ billige Verurteilung, H. war nicht vorbestraft. J.G.
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