„Regulierung macht keinen Sinn“

■ Interview mit Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) über die Liberalisierung der Ladenschlußzeiten: Wie in Großbritannien sollten auch hierzulande die Ladenschlußzeiten freigegeben werden. Zweijährige Testphase

taz: Am kommenden Dienstag will sich der Senat über das Abstimmungsverhalten im Bundesrat zum Ladenschlußgesetz verständigen. Wofür plädieren Sie?

Peter Strieder: Berlin sollte versuchen, daß die Gesetzesnovelle des Bundestages in den Vermittlungsausschuß kommt. Die Gefahr ist, daß der halbherzige Kompromiß der CDU über Jahre eine wirkliche Reform verhindert.

In der vom Bundestag mit knapper Mehrheit verabschiedeten Fassung soll werktags bis 20 Uhr, am Samstag bis 16 Uhr geöffnet bleiben. Der lange Donnerstag fiele weg. Wollen Sie über diese Regelung hinausgehen?

Im Vermittlungsausschuß müßte eine Regelung gefunden werden, die eine Ausweitung der 590-Mark-Jobs verhindert und gleichzeitig eine weitergehende Liberalisierung des Ladenschlusses ermöglicht. Ich schlage die britische Regelung vor: montags bis samstags keine Einschränkung der Öffungszeiten, sonntags eine besondere Regelung, die kleinere Läden privilegiert.

Eine solche Liberalisierung führt aber möglicherweise zu noch mehr Konzentration auf dem Einzelhandelsmarkt.

Gerade Spezialgeschäften dient eine solche Regelung. Sie können selbst entscheiden, welche Zeit die günstigste für den Verkauf wäre. Wir beleben damit auch die Innenstädte und organisieren eine wirkliche Konkurrenz zu den Großmärkten auf der grünen Wiese. Zunehmend gibt es für Brandenburger Großmärkte Sondergenehmigungen an Wochenenden. Berlin darf nicht ausbluten, indem es sich selbst zum Dorf macht und das Brandenburger Dorf zur Stadt wird. Können wir denn wirklich auf den Konsumtourismus verzichten? Wer am Wochenende nach Berlin kommt, will vielleicht nach seinem Museumsbesuch noch etwas einkaufen.

Mit Ihrem Vorschlag werden Sie sich keine Freunde in Ihrer Partei machen...

...ich sehe bisher nicht, welchen Sinn es macht, den Ladenschluß zu regulieren. Mir geht es nicht um die Kaufhäuser. In Schweden hat sich gezeigt, daß längere Öffnungszeiten einer Konzentration entgegenwirken. Es wird immer einige Marktsegmente geben, die von längeren Öffnungszeiten profitieren werden, und andere nicht. Wahrscheinlich werde ich um 21 Uhr kein Autozubehör kaufen. Aber ein Kleidungsgeschäft am Breitscheidplatz wird um 21 Uhr noch ein Geschäft machen. Dagegen hält ein Kaufhaus seine Pforten nicht wegen einer Kleidungsabteilung offen, während andere Abteilungen zu dieser Uhrzeit keinen Umsatz mehr machen.

Die Gewerkschaften fürchten amerikanische Verhältnisse.

Diese 590-Mark-Jobs sind doch eher ein Problem der Kaufhäuser. In den Fachgeschäften braucht man besonders qualifizierte Kräfte. Im Rahmen des Vermittlungsausschusses muß darauf geachtet werden, daß diese Jobs nicht ausgeweitet werden. Hier könnte man von den Arbeitgebern im Rahmen einer zweijährigen Testphase eine Selbstverpflichtung verlangen. Interview: Severin Weiland