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Press-SchlagStolzer Triumph der Häßlichkeit

■ Das passende All-Star-Team zur Europameisterschaft 96 in England

Dichtgedrängt die Abwehrreihen, undurchdringlich das Mittelfeld, sicher die Torhüter, knüppelhart die Verteidiger, das Trikot des Gegners fest im Griff, seine Beine im Visier, auch durch die gelbsten Karten nicht zu beirren. Dazu Trainer, für die die Aufstellung eines Stürmers gleichbedeutend damit ist, sich vom Empire State Building zu stürzen. So sieht das Gesicht dieser EM aus. Resultat: torlose Spiele vor halbleeren Rängen, sinnlose Elfmeterschießen, bei denen jene Akteure, die zuvor jeden Ball mindestens zwanzig Meter am Tor

Das All-Star-Team der taz

StoitschkowKlinsmann

Poborski Gascoigne Prosinecki

Desailly

Kirjakow Eilts Iwanow

Sammer

Kahn

Trainer: Otto Baric

Hooligan: Helmut Kohl

vorbeigegurkt haben, plötzlich unfehlbar treffen, bis irgendein armer Kerl den Fehler macht, flach zu schießen, und den Rest seines Lebens als Versager verbringen muß.

Unter solchen Bedingungen ein althergebrachtes All-Star- Team mit den besten Fußballspielern des Turniers aufzustellen, verbietet sich von selbst. Der Euro 96 angemessen ist eine Mannschaft, die aus Zerstörern, Unholden, Kampfmaschinen besteht, sogenannten modernen Fußballern eben, die jeden gegnerischen Ansatz im Keim ersticken und allein durch ihren Anblick Ausbrüche von Angstschweiß hervorrufen. Ein Team der abgrundtiefen Häßlichkeit, das dem Kontrahenten schon die Knie zittern läßt, wenn es vor dem Anpfiff Aufstellung nimmt und seine Hymne schmettert, die mit großer Gewißheit jenen blutrünstigen Liedern angelehnt sein wird, welche nordische Nationen gemeinhin als musikalische Visitenkarte bevorzugen: „Zertrümmert liegt der Feind am Boden, es klafft die Wunde im Gebein...“ Rote Karte für Kroatiens Slaven Bilic, der am lautesten gesungen hat und damit schon mal für die Stamm-Elf ausfällt.

Das Tor hütet natürlich Oliver Kahn, der zwar weder über die aparte Rasenmäher-Frisur des Kroaten Drazen Ladic noch über das Polizeichef-Bärtchen von David Seaman verfügt, aber mit seiner Wrestler-Statur und der Neigung zu körperlichen Angriffen auf Mitspieler einzig in der Lage ist, die vor ihm postierte Abwehr ausreichend zu disziplinieren. Außerdem ist es seine einzige Chance, je zu internationalen Meriten zu kommen, da die Karriere von Andreas Köpke ja gerade erst richtig begonnen hat und der Barça- Keeper mindestens für die nächsten zehn Jahr als Nummer eins im deutschen Tor feststeht.

In der zentralen Abwehr senst zähnefletschend und wortgewaltig Matthias Sammer, fliegt aber sofort raus, wenn er seinen Friseur wechselt. An seiner Seite der unvermeidliche Ostfriese Dieter Eilts, der, seit er von den Löchern im heimischen Watt gehört hat, noch wilder entschlossen ist, sämtliche Löcher zu stopfen, die sich vor ihm auftun. Da in der Abwehr vier Leute reichen, weil sich der Gegner dort sowieso nicht hintraut, wird sie komplettiert von den Bulgaren Trifon Iwanow, gleichzeitig Mannschaftskapitän und Ehrenspielführer auf Lebenszeit, und seinem Bruder in Geist und Visage, Ilian Kirjakow – wenn er nicht schon von Aki Kaurismäki verpflichtet worden ist.

Die zentrale Figur im Mittelfeld ist natürlich Paul Gascoigne, ein bißchen Spielkunst muß schließlich sein, und zu diesem Zweck darf auch Robert Prosinecki mitspielen, sofern ihm sein Job in der Geisterbahn auf dem Tibidabo von Barcelona genug Zeit läßt. Prosinecki wird allerdings sofort von seinem kroatischen Kollegen Zvonimir Boban ersetzt, wenn dieser sich auch noch den Schädel kahlscheren läßt und als Aufnahmeprüfung einen Beefeater vor dem Buckingham-Palast in den Allerwertesten getreten hat. Auf der rechten Seite wütet Marcel Desailly, wird aber sofort ausgewechselt, wenn er sich Hristo Stoitschkow auf Rufweite nähert. Links bekommt Karel Poborski, eine mißlungene Mischung aus Claudio Caniggia und Aerosmith, einen eigenen Ball, mit dem er nach Herzenslust herumlupfen darf.

Im Angriff zetert und mordiot Hristo Stoitschkow, schon allein, weil er der einzige ist, der die Freistöße, die sein Sturmpartner Jürgen Klinsmann (guckt wie ein Kätzchen, taucht wie ein Seehund, tritt wie ein Büffel) herausholt, auch ins Tor schießen kann. Stoitschkow wird sofort gegen das portugiesische Pflastermonster Sa Pinto ausgewechselt, wenn er sich Desailly auf Fluchweite nähert.

Die Ersatzbank: Tony Adams (vorbestraft), Andy Möller (als häßlicher Deutscher in Feldherrenpose) sowie Letschkow, Kostadinow, Balakow, Zwetanow, Penew, Jankow und Kirjakow (der Russe). Trainiert wird diese unvergleichliche Mannschaft von Otto „Lama“ Baric, Co-Trainer ist Berti „Terrier“ Vogts („Ich habe kein Foulspiel erkennen können“). Als Schiedsrichter fungiert der Schwede Sundell, weil sonst nach fünf Minuten die ganze Mannschaft einschließlich Reserve unter der Dusche wäre. Natürlich immer dabei: Helmut Kohl, der häßlichste Hooligan der Welt. Matti/-thöm-

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