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City-Verbot für Bunthaarige

■ Um die nächsten Chaostage in Hannover verhindern zu können, hat die Polizei eine Anti-Punk-Verordnung erlassen

Hannover (taz) – Mit einem Großaufgebot an Polizei will das Land Niedersachsen sich Anfang August in Hannover und Umgebung vor Punkern schützen. Eine jetzt vom hannoverschen Polizeipräsidenten Hans-Dieter Klosa unterzeichnete Verbotsverfügung gegen die nächsten Chaostage, erklärt Stadt und Landkreis Hannover für die Zeit vom 26. Juli bis zum 5. August zur Tabuzone für atypische junge Leute. Verboten sind während dieser Zeit „Kleingruppen“ von Bunthaarigen. Der Polizeipräsident hält sie für „besonders gefährlich“. Als Kleingruppe gelte, auch wenn es dafür keine Legaldefinition gebe, schon eine Ansammlung ab drei Personen, sagte gestern die Sprecherin der Polizeidirektion.

Um die Chaostage, bei denen es traditionell weder eine Kundgebung noch eine Demonstration gibt, überhaupt als „Versammlung“ einstufen zu können, bemüht die Verbotsverfügung allerlei haarsträubende Begründungen. So führt sie gegen die „Punkszene“ ins Feld , daß sie „gegen ordnungspolitische Vorstellungen“ protestiere, „bürgerliche Regeln und Riten“ ablehne und daß sie das „natürliche Pietät- und Schamempfinden“ bewußt verletze. Inhalt des gesamten Auftretens und Verhaltens der Punker sei, „Mitbürger zu provozieren und das öffentliche Leben zu beeinträchtigen“.

Die Polizei hat laut Verbotsverfügung, in der Vergangenheit folgende nun verbotenen Verhaltensweisen „besonders häufig“ beobachtet: „Übermäßiger Alkoholgenuß, Beschmutzen von Passanten, gruppenweises Lagern, Verschmutzen von Straßen und demonstratives Urinieren in der Öffentlichkeit“.

Die Verbotsverfügung richtet sich ausdrücklich gegen das Erscheinungsbild der Jugendlichen: „Die Angehörigen der Punkszene verstehen sich als Subkultur unserer Gesellschaft. Dies bringen sie durch ihr äußeres Erscheinungsbild, wie auffällige Kleidung, besetzt mit einer Vielzahl von Symbolen, Aufschriften und Nieten und die typischen farbigen Punkfrisuren zum Ausdruck.“ Diese Subkultur wolle „das öffentliche Leben beeinträchtigen“ und dafür sei ihr „grundsätzlich jedes Mittel recht.“ Als „eindeutig und unmißverständlich“ wertet es die Verbotsverfügung, daß Punker zur „größten Bullenverarschung aller Zeiten aufrufen“, und dabei sogar ein detailliertes Programm vorgeben, wie: „Vergewaltigung von Polizistinnen und Rentner vor das Auto werfen“.

Als Realsatire wertete denn auch die Grünen-Landtagsabgeordnete Silke Stokar gestern die Verfügung. Sie sei eine „spezifisch niedersächsische Form des Rinderwahns“ und „in Hannover haben die Bullen offensichtlich BSE“. Jürgen Voges

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