: G7 predigt Sparsamkeit und Verzicht
■ Weltwirtschaftsgipfel fordert zur Umstrukturierung auf, um der Globalisierung der Wirtschaft zu begegnen, auch wenn dadurch die Arbeitslosigkeit zunimmt
Lyon (AP/AFP/taz) – Wenn die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft zu Arbeitslosigkeit und Stabilitätsverlust führt, dann ist das Problem nicht die Globalisierung, sondern die mangelnde Bereitschaft zu Sparsamkeit und Verzicht. Finden jedenfalls die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Wirtschaftsnationen. In ihrer gestern verabschiedeten wirtschaftspolitischen Erklärung fordern die Teilnehmer des G-7-Gipfels deshalb rasche und „manchmal schmerzliche“ Umstrukturierungsmaßnahmen.
Dabei nehmen die Staats- und Regierungschefs der USA, Japans, Großbritanniens, Frankreichs, Kanadas, Italiens und Deutschlands ausdrücklich in Kauf, daß die Folgen dieses Prozesses „in einigen unserer Länder die Beschäftigungslage vorübergehend noch verschlechtern können“. Derzeit sind in den sieben reichsten Ländern mehr als 23 Millionen Menschen arbeitslos.
Vor allem die Globalisierung der Finanzmärkte könne neue Instabilitätsrisiken erzeugen. Allerdings sehen die sieben Staats- und Regierungschefs in ihrem Kommunique auch große Chancen der Globalisierung: die Ausweitung von Investitionen und Handel und die Öffnung der bevölkerungsreichsten Regionen für die internationalen Warenströme. Auch könnten die Entwickungsländer ihren Lebensstandard dadurch erhöhen.
Neben der Globalisierung der Wirtschaft ist die Zusammenarbeit von Industrie- und Entwicklungsländern das zweite Hauptthema des Kommuniqués. Die sieben verpflichten sich, eine „neue globale Partnerschaft“ der reichen und der armen Staaten unter Einschluß der multinationalen Organisationen zu formulieren. Die Entwicklungsländer werden aufgefordert, eine „gesunde und konsequente Wirtschafts- und Sozialpolitik“ zu betreiben sowie Demokratie und Menschenrechte zu achten. Sie sollen die Voraussetzungen dafür schaffen, daß privates Kapital in ihre Wirtschaft fließt.
Die Industrieländer sagen dafür im Gegenzug nichts zu. Man wolle „prüfen, was jeder von uns tun kann, um den Zugang dieser Länder zu unseren Märkten zu verbessern“. Die Entscheidung, ob die Goldreversen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Finanzierung der Entwicklungshilfe herangezogen werden sollte, wurde vor allem von der Bundesregierung blockiert und deshalb auf den nächsten Gipfel in den USA vertagt.
Auf dem von 53 Nichtregierungsorganisationen veranstalteten „Gipfel der sieben Widerstände“ verlas der Präsident des Forums, der nigerianische Schriftsteller Wole Soyinka, am Donnerstag abend eine Abschlußerklärung: Der von den führenden Wirtschaftsmächten eingeschlagene Kurs führe zu Massenarbeitslosigkeit und vergrößere die Gräben zwischen Arm und Reich sowie zwischen Nord und Süd.
Siehe auch Seite 8
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