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Verfassungsklage gegen Pieroths Deal

■ Die Bündnisgrünen erwägen Verfassungsklage wegen des Verkaufs von Forderungen aus dem Wohnungsbau. Ehemaligem CDU-Finanzsenator Pieroth wird verfassungswidriges Handeln vorgeworfen

Der Verkauf von Forderungen in Höhe von rund einer Milliarde Mark aus Wohnungsdarlehen an die Investitionsbank Berlin (IBB) durch den früheren Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU) wird das Landesverfassungsgericht beschäftigen. Dies kündigte die bündnisgrüne Haushaltsexpertin Michaele Schreyer an. Nach Durchsicht des Vertrags im Unterausschuß Wohnungsbauförderung, dessen Vorsitzende Schreyer ist, sei die Kritik des Rechnungshofs an dem Verkauf „voll bestätigt“ worden. Dieser hatte Ende Mai moniert, daß die Finanzierung ohne Kenntnis und Zustimmung des Abgeordnetenhauses erfolgte.

Zur Minderung des defizitären Haushalts hatte Pieroth, heute Wirtschaftssenator, am 26. September 1995 die Forderungen Berlins aus städtischen Baudarlehen aus den Jahren 1952 bis 1968 an die IBB verkauft. Damit wurde das Defizit im Landeshaushalt um rund eine Milliarde Mark verringert. Die Vereinbarung, mit der die Forderungen an Zinszahlungen der IBB übertragen wurden, wirken sich für das Land Berlin bis zum Jahr 2052 aus.

Bei der vom Rechnungshof als „verfassungs- und haushaltsrechtlich unzulässig“ eingestuften Transaktion hatte sich Pieroth sogar gegen Bedenken seiner eigenen Verwaltung hinweggesetzt. Auch der damalige SPD-Bausenator Nagel verweigerte seine Unterschrift unter den Vertrag.

Obwohl mit dem Deal der Haushalt 1995 entlastet werden konnte, bleiben für das Land Berlin in Zukunft erhebliche finanzielle Risiken, wie der Rechnungshof und Schreyer feststellten. Weiterhin muß das Land jährlich 65 Millionen Mark an das Bundesfinanzministerium für jene Anteile zurückzahlen, mit denen sich einst der Bund an der Wohnungsbauförderung beteiligt hatte. Die bündnisgrüne Haushaltsexpertin Schreyer stellte nach Durchsicht des Vertrags jetzt fest, daß das einmalige Vermögensgeschäft möglicherweise in späteren Jahren dem Land auf die Füße fallen könnte. Sollte nämlich zum Beispiel in zehn Jahren der Zinssatz für die einst vergebenen Darlehen höher als heute sein, müßte Berlin einen Teil des eingenommenen Geldes an die IBB zurückerstatten.

Der Rechnungshof seinerseits hält in seinem Bericht Pieroth vor, einen wirtschaftlich ungünstigen Vertrag geschlossen zu haben. So seien keine Verhandlungen mit anderen Banken geführt und damit auf bessere Konditionen verzichtet worden. Zudem trügen künftige Haushalte ein erhebliches Risiko, weil Einnahmen aus den Wohnungsbaudarlehen von jährlich rund 150 Millionen Mark entfielen.

Die jetzt angekündigte Verfassungsklage ist der zweite Versuch, den früheren Finanzsenator nicht ungeschoren aus der Verantwortung zu entlassen. Anfang Juni hatten sich SPD und CDU demonstrativ hinter den Gescholtenen gestellt und im Abgeordnetenhaus einen Mißtrauensantrag der Opposition wegen des IBB-Geschäfts abgeschmettert. Severin Weiland

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