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Zum Glück ist Irland nicht Europameister Von Ralf Sotscheck

„Wozu brauchen die denn neue Trikots“, fragt der verzweifelte Terry seinen zwölfjährigen Sohn Jack, „bei dem müden Gekicke könnten sie doch genausogut im Unterhemd antreten, oder?“ Der Junior ist anderer Meinung. „Unter Mick McCarthy geht es mit der Mannschaft bald bergauf“, sagt er und zieht ein grünes Hemd aus dem Regal bei Champion Sports, einem Sportgeschäft in der Dubliner Innenstadt. Mit dem neuen Trainer bekam die irische Fußball- Nationalmannschaft auch neue Jerseys – genauso grün wie die alten, aber mit weißem Kragen. Grund genug für die Fans, umgerechnet hundert Mark auszugeben. Und nochmal hundert Mark für das Auswärtstrikot, weil das einen anderen Grünton hat. Nächstes Jahr gibt es ein neues grünes Auswärtshemd, und ein Jahr später ändert sich auch der Grünton des Heimtrikots, das hat die Herstellerfirma Umbro bereits angekündigt.

„Früher gab es nur ein einziges Trikot, und das wurde bei Heimspielen und auswärts getragen“, leistet Terry Widerstand. „Nur die Spieler durften die Dinger tragen, kaufen konnte man sie nicht. Allein der Gedanke, daß ein schwitzender, dicker Fan im Manchester- United-Outfit betrunken in der Ecke liegt, wäre ein Sakrileg gewesen.“ Früher habe man auch Flanellhemden in der Öffentlichkeit getragen, kontert der modebewußte Sprößling ungerührt und zeigt abfällig auf den Krabbeltisch, wo die nun veralteten irischen Trikots für zwanzig Mark angeboten werden: „Kein echter Fan würde sich sowas begraben lassen.“

Umbro stattet auch Manchester United aus, den geldgierigsten Verein in England. Es gibt 1.500 verschiedene Artikel mit Vereinsemblem – darunter auch Kreditkarten, mit denen man gleich die neuen Hemden bezahlen kann. Nur das mausgraue Outfit vom vorigen Jahr wurde zum Ladenhüter, weil sich das Team nach drei Niederlagen in Folge weigerte, darin anzutreten. Die Spieler seien in der Dämmerung schlecht zu erkennen, lautete die offizielle Begründung. Die Spieler müssen für Trikots und Fanartikel im Fernsehen werben – aber nur die attraktiven. Demnächst werden die Sponsoren beim Einkauf neuer Spieler mitreden, damit der Verein keine potthäßlichen Verteidiger mit abstehenden Ohren kauft.

Für zehn Pfund kann man auch in den United-Eintrittskartenverlosungsclub eintreten: Es ist die einzige Möglichkeit, an ein Ticket heranzukommen. Der Lotterieclub hat 100.000 Mitglieder. Macht eine Million Pfund für United. Aber es stehen nur 10.000 Tickets zur Verfügung, weil der Rest durch Dauerkarten vergeben ist. Wer ausgelost wird, darf eine Eintrittskarte kaufen, die anderen haben Pech gehabt: Die zehn Pfund sind futsch.

Der genervte Terry hat sich inzwischen geschlagen gegeben und steht mit gezückter Kreditkarte an der Kasse, versucht aber einen Deal zu machen: „Wenn sich die Flaschen nicht für die Weltmeisterschaft in zwei Jahren qualifizieren, mußt du meine alten Flanellhemden auftragen.“ Das Vertrauen in McCarthys Fähigkeiten sitzt bei Jack aber doch nicht so tief. „Kommt nicht in die Tüte“, meint er, „du hast genug Glück gehabt: Wären die Jungs in England Europameister geworden, dann wären jetzt elf EM-Trikots fällig – von jeder Rückennummer eins.“

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