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■ Großer Test im Namen der Wahrheit: FrauenkondomeGummi-Bärchen

Für einen guten Zweck und die Wissenschaft betrete ich eine Apotheke und verlange Frauenkondome. „Es ist für einen Test in irgendeiner Zeitung“, versichere ich ungefragt. Die Leute sollen nicht glauben, ich will meine Innereien aus gläubigem Feminismus mit einem Polyurethanbeutel auskleiden. Die Apothekerin springt vor Freude im Dreieck und will mir gleich erklären, wie alles funktioniert, weil die Gebrauchsanweisung auf englisch ist, aber das ist mir peinlich.

So teuren Sex hatte ich noch nie

Statt dessen kaufe ich noch ein paar Kilometer Zahnseide, die in dieser Frauenkondomapotheke (Pannierstraße, Berlin) erstaunlich billig ist, und dann trage ich meine drei „Reality“-Kondome plus 18seitiger Gebrauchsanweisung und Gleitmittelfläschchen für alles zusammen 10 Mark 50 nach Hause. So teuren Sex hatte ich noch nie, obwohl, wenn man die Pille nimmt (Kinder) und Kondome benutzt (unerfreuliche Krankheiten) und dann wird man nur einmal alle drei Wochen gebürstelt, dann geht das auch ganz schön ins Geld. Also, kaum drei Wochen später kommt Herr S. zu Besuch, und wir testen.

Das Einführen ist so ähnlich wie das Einführen einer Katze in einen Katzentransportbehälter: Hat man das eine Ende glücklich verstaut, springt einem das andere Ende wieder entgegen und umgekehrt. Schuld ist neben der großzügigen Gleitmittelbeschichtung der Außenseite ein spezieller Ring aus Gummi, der lose im Inneren der Tüte herumrutscht und Herrn S. später nicht unbeträchtlich drücken wird. „Da steht man dann da mit ausgefahrenem Christbaum“, beschwert sich Peter, der mit seiner Freundin Susi das zweite Kondom testete, „und muß warten, bis das Teil eingebaut ist.“ Susi sagt: „Ich hab' dann den Ring hinterher rausgenommen aus dem Beutel und ihn abgewaschen, und dann hab' ich ihn der Katze gegeben, die spielt sehr gern damit.“

Lachhaftes Sperma- rückhaltevermögen

Zur Funktionalität selber gibt es nicht so viel zu sagen. Zwar wird die sowieso eher zweifelhafte Ästhetik des Beischlafs nicht durch den Anblick wurstartig eingeschweißter Körperteile getrübt, aber ein raschelnder Plastikbeutelfortsatz im Schritt ist doch auch keine Zierde, nur weil man da selber nicht so gut hinsehen kann. Das Spermarückhaltevermögen des Beutels ist lachhaft, vor allem wenn die Frau oben liegt. Aber meine postfeministische Generation darf ja, glaube ich, inzwischen auch wieder unten liegen, wo es viel bequemer ist und die Nase nicht so leicht verstopft, wenn man Schnupfen hat.

Erstaunlicherweise schämt sich der Hersteller nicht, auf die Packung zu schreiben, daß die Wahrscheinlichkeit, trotz Frauenkondom schwanger zu werden, bei 26 % liegt. Das sieht auch im Vergleich mit den angeführten politisch korrekten Verhütungsmethoden (Zervixkappe, Diaphragma, Schwämmchen ... uh! Schwämmchen!) nicht gut aus. Wer das Frauenkondom „Reality“ vier Jahre lang gewissenhaft benutzt, wird also nicht nur um 1.456 Mark (zweimal die Woche) oder 4.368 (öfter) Mark ärmer, sondern auch schwanger. Mehr Spaß als mit einem normalen Kondom macht es auch Herrn S. nicht. Die einzige Zielgruppe, die mir für das Frauenkondom „Reality“ einfällt, ist mein Exfreund H., den eine abnorm bewegliche Vorhaut am Gebrauch von Kondomen hindert. Aber die Zahnseide ist wirklich enorm billig in der Pannier-Apotheke, die übrigens nach Jean-Luc Pannier, dem Erfinder des Semmelmehls, benannt ist. Das sollte man im Auge behalten. Kathrin Passig

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