: Arabisch nur mit der Schüssel
Fremdsprachige Sender gibt es in Frankreich kaum ■ Aus Paris Dorothea Hahn
Wer arabisch sehen und hören will, der muß sich in Frankreich eine Parabolantenne anschaffen. Die Banlieues der Großstädte sind voll mit diesen Schüsseln, über die Sendungen aus Saudi-Arabien, Algerien und Tunesien in Hunderttausende von Immigrantenhaushalten gelangen. In Frankreich selbst werden keine Fernsehprogramme in den Sprachen der Einwanderer produziert. Nicht einmal die 40 Lokalsender des Kabelfernsehens machen da eine Ausnahme.
„Fernsehsendungen in ausländischer Sprache sind nach dem Gesetz zum Schutz des Französischen verboten“, erklärt eine Mitarbeiterin des Aufsichtsrates für die audiovisuellen Medien, CSA. Auf den über Antenne ausgestrahlten Kanälen gibt es deswegen nur Programme auf französisch sowie bretonisch, baskisch und korsisch. Für das Kabelfernsehen, das landesweit nur 1,2 Millionen Abonnenten zählt, existiert eine Ausnahmeregelung, wonach Immigrantengruppen auf kommunaler Ebene mit fremdsprachigen Programmen bedient werden können. Doch das ist reine Theorie. Beim Aufsichtsrat CSA sind lediglich ein paar Sendungen auf deutsch und italienisch bekannt, die zugleich als Sprachunterricht dienen sollen.
Fernsehen ist teuer, erklärt ein Radiojournalist in Paris. Er arbeitet für den Sender France-Maghreb, der vor allem von nordafrikanischen Immigranten gehört wird. Ein halbes Dutzend dieser Radiosender, die teils auf französisch, teils auf arabisch ausstrahlen, sind in den letzten Jahren entstanden. Bei manchen von ihnen gehen die Hörerzahlen über 100.000 hinaus. Doch den Sprung ins Fernsehen hat bislang noch keiner dieser Rundfunkmacher gewagt.
„Wir bringen viel arabische Musik“, erklärt der Radiojournalist, „aber fürs Fernsehen ist das wenig geeignet, es gibt kaum Clips.“ Als weiteren Grund für die TV-Abstinenz nennt er die Sprache. Die meisten nordafrikanischen Immigranten in Frankreich seien schon von Hause aus zweisprachig, und die junge Generation spreche besser französisch als arabisch.
„Integration“ ist in Frankreich stets das Zauberwort gewesen. Per „Integration“ sollte die Aufsplitterung der Gesellschaft in „communeautés“ verhindert werden, wie sie die angelsächsische Welt bestimmen. Die Ablehnung von Partikularismen galt – und gilt – nicht nur für fremdsprachige Einwanderer, sondern auch für religiöse Gemeinschaften und alle möglichen anderen Minderheiten. Das Revolutionsprinzip der „égalité“ und die Trennung von Staat und Kirche verpflichten.
Der Golfkrieg markierte den Wendepunkt
Doch auch ohne staatliches Zutun und gesetzlichen Rahmen hat die Aufsplitterung längst stattgefunden. Bei den audiovisuellen Medien markierte der Golfkrieg den großen Wendepunkt. Die einseitige Information der europäischen – und amerikanischen – Fernsehsender sorgte 1991 bei vielen Muslimen für das Mißtrauen, das letztlich den Ausschlag für die Installation einer Parabolantenne gab. Der französische Medienwissenschaftler Pierre Junqua spricht von dem „traurigen Paradox“, wonach nordafrikanische Immigranten, die in ihren Herkunftsländern großen Wert darauf legten, französische Programme zu gucken, in Frankreich arabische Sender empfangen. „Dahinter steckt das Bedürfnis, die Nabelschnur nicht zu verlieren“, erklärt Junqua.
Beim Fernsehaufsichtsrat CSA, der über die Zulassung entscheidet, liegen seit langem Anträge von Fernsehsendern aus Tunesien, Algerien, Marokko, Saudi-Arabien und Ägypten auf dem Tisch, die ins französische Kabelnetz wollen. Im vergangenen Sommer entschied der Premierminister, das Verfahren angesichts der Attentatswelle „erst einmal“ zu blockieren. Seither ist nichts passiert.
Sowohl in der französischen Regierung als auch beim (offiziell unabhängigen) CSA heißt es heute, daß es „dringend nötig“ sei, arabische Sendungen zu produzieren. Als laizistisches Gegengewicht zu dem Vormarsch der Programme von der Südseite des Mittelmeeres und als Bindeglied in die französische Gesellschaft. Nur, es fehlt ein tragfähiges Projekt. Eines, das finanzielle Mittel und Sachverstand miteinander vereint.
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