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„Wir kommen dem Machen näher“

■ Ein Jahr Große Koalition – Interview mit Nölle-Wahlhelfer und Unternehmer Hasso Nauck

Hasso Nauck ist Geschäftsführer der Bremer „Chokoladefabrik Hachez“. Im Wahlkampf hat er der parteilose Unternehmer für Ulrich Nölle geworben. Die taz fragte ihn nach seiner Sicht auf das erste Jahr Große Koalition, das am Freitag zu Ende geht.

taz: Sie haben für Ulrich Nölle als Bürgermeister geworben. Jetzt ist er Finanzsenator geworden. Sind Sie ein Jahr danach mit der Bremer Politik zufrieden?

Hasso Nauck: Veränderungen sind immer gut, wenn sie auch noch inhaltlich funktionieren, ist es um so besser.

Was hat sich denn verändert?

Ich denke schon, daß sich eine ganze Menge verändert hat, auch wenn so furchtbar vieles davon natürlich noch nicht tagtäglich für den Wähler auf der Straße erkennbar ist. Das ist wie bei einer Unternehmensumstrukturierung: Da muß erstmal unheimlich viel am Schreibtisch gemacht werden, bevor der Konsument es merkt.

Was sich verändert hat, ist erstmal der Grundgeist in der Regierungsmannschaft. Man denkt heute sehr viel pragmatischer in Lösungen als in politischen Dogmen.

Zum Beispiel?

Die Innenpolitik: was passiert mit der Polizeistruktur...

...nichts. Die Polizeireformkommission tagt und tagt, aber ohne Folgen.

Aber es wird offen darüber nachgedacht, ob es Sinn hat, den Fuhrpark der Polizei zu kaufen oder zu leasen. Gut finde ich auch, daß der Umzug der Polizei in die Vahr jetzt griffig wird.

Beide Themen hat die Ampel-Koalition angestoßen.

Früher ist ewig theoretisch über die Dinge diskutiert worden, aber dann hat nichts stattgefunden. Jetzt kommt geht es ans Handeln. Ein anderes Beispiel: Hemelinger Tunnel. 17 Jahre wurde geplant, und jetzt findet es endlich statt.

Noch ist kein Bagger aufgefahren.

Nein, aber die Planungswege sind soweit realisiert, daß es jetzt zu dem Tunnel kommt. In zwei Jahren soll angefangen werden. Oder die Anbindung des GVZ durch die A281. Da sind wir auch am Ende einer Diskussionsphase, wir kommen dem Machen immer näher. Man kann ja nicht erwarten, daß eine neue Regierungsmannschaft das, was jahrelang diskutiert worden ist, am nächsten Tag in Spaten und Äxte umsetzt. Aber die Zuversicht, daß jetzt tatsächlich etwas passiert, zeigt sich daran, daß die Vorbereitungsphasen effektiv kürzer geworden sind.

Woher wissen Sie das?

Wir haben selber gemerkt, daß die Baugenehmigungsverfahren radikal abgekürzt werden, weil wir gerade dabei sind, in Huchting neu zu bauen. Vorher waren die Baugenehmigungen relativ schleppend bearbeitet worden. Inzwischen haben wir die Chance, ganz schnell eine Entscheidung zu kriegen und noch im September mit dem Bau anzufangen. Das ist klasse.

Ein Problem läßt sich allerdings nicht so schnell ausräumen: Der Fisch fängt zwar immer am Kopf an zu stinken, und der ist jetzt ein neuer, aber der Fisch ist nicht nur Kopf. Da sind die alten sozialdemokratischen Seilschaften. Die neuen politischen Köpfe in den Ressorts haben überhaupt keinen neuen Unterbau. Aber trotz dieses Erschwernisses sieht man sehr deutlich, daß die Dinge positiv aufbrechen.

Im Wahlkampf hat Ulrich Nölle 600 Millionen Mark Schuldentilgung versprochen. Herausgekommen ist im ersten Jahr Nölles Erfindung der „Negativtilgung“ und auch im zweiten und dritten Jahr werden die Schulden kaum kleiner. Ist das erfolgreich?

So betrachtet natürlich nicht. Aber das ist nicht ganz fair. Es sind doch Faktoren dazugekommen, die nicht voraussehbar waren, z.B. die Krise beim Vulkan. So ein Loch bedeutet dann einfach, daß die Kalkulationen neu gemacht werden müssen. Und ich bin sicher, daß Nölle wesentlich geändert hat, wie Budgetierungen angegangen werden und wie mit Geld im Sinne kaufmännischer Grundüberzeugung umgegangen wird.

Die Forderung der CDU war immer: Sparen ja, aber nur da, wo es sinnvoll ist. Jetzt hat der Senat schon zum dritten Mal in einem Jahr den Rasenmäher zur pauschalen Kürzung eingesetzt.

Neu ist, daß das Rasenmäher-Prinzip konsequent umgesetzt wird. Ich glaube, daß Nölle als einer, der von Berufs wegen mit Geld umgeht, das einfach professioneller macht.

Sie glauben das. Wissen Sie es auch?

Ich sehe das an den Projekten, die auch in der Handelskammer besprochen werden. Jedes Einzelbeispiel reduziert das ganze Bild wieder auf ein Detail. Aber in der groben Linie sehe ich sehr klar, daß da neue Methoden eingezogen sind. Daneben konnte aber der politische Dogmatismus nicht ganz ausgehebelt werden.

Zum Beispiel?

Die Linie 4, von der jedermann weiß, daß es der größte ökonomische Schwachsinn ist. Und trotzdem wird das Ding ums Verrecken kommen.

Wie ist es denn mit den Dogmen der CDU? Zum Beispiel zeigt sich jetzt, daß sich der Teilverkauf der Stadtwerke für Bremen gar nicht gelohnt hat. Oder der Gewoba-Verkauf: Da setzt die CDU eine Forderung in die Welt, aber es geht gar nicht, weil der Gesellschaftervertrag dagegensteht.

Wenn man die Absicht hat, aus gezwungenen Gründen eine Veräußerung zu machen, weil man Liquidität braucht, kann man hinterher nicht alles wieder ganz anders sehen. Unternehmerisches Entscheiden ist nicht so sehr davon abhängig, daß man genau voraussehen kann, was in der Zukunft exakt passiert, sondern welchen unternehmerischen Mut man zum Zeitpunkt der Entscheidung hat.

Deswegen haben Sie vor der Wahl gesagt: Die für Bremen schlechteste Variante ist die Große Koalition, weil die am wenigsten handlungsfähig ist.

Das sieht man jetzt an der Linie 4. Oder: Warum brauchen wir eigentlich einen Hafensenator? Weil der ein SPD-Mann ist und aus Bremerhaven kommt. Der Hafen ist aber die Urzelle der Bremer Wirtschaft, also ist das ein Wirtschaftsressort. Mit einer anderen Regierungskonstellation hätten wir das Hafenressort wohl nicht mehr. Große Koalitionen haben da immer den Nachteil der relativen Bewegungslosigkeit. Um so bewundernswerter ist, daß in den CDU-geführten Ressorts so viel passiert. Und das Verhältnis zwischen SPD und CDU, namentlich zwischen Scherf und Nölle, ist sehr viel besser, als man es vorher erwarten konnte.

Leute wie Scherf, Nölle, Perschau, Schulte – die verkörpern doch einen anderen Professionalitätsgrad als die durch ausreichendes Sitzfleisch in der SPD-Hierarchie gewachsenen Politiker.

Schulte hat an seinem letzten Arbeitsplatz einen Schuldenberg hinterlassen. Und Perschau ist in Sachsen-Anhalt zur Rückzahlung unrechtmäßig kassierter Westzulagen verurteilt worden.

Wenn wir das so aufzäumen, liefern wir wieder allen die Munition, die sagen: Bremen ist so beschissen, daß es sich noch nicht mal lohnt, über die Wasserkante zu gucken.

Lieber Augen zu und auf in die Zukunft?

Nein, aber vom Status quo aus die positiven Dinge nach vorne bringen. Jeder muß in der Rolle bewertet werden, die er im Moment ausfüllt. Und wenn wir uns alle dieser Mentalität anschließen würden, würden über Bremen sehr viel positivere Botschaften durch die Welt gehen, als es heute der Fall ist.

Fragen: Dirk Asendorpf

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