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Wer Herr ist ...

■ ...und wer Sklave – „Swoon“, ein Film des US-Regisseurs Tom Kalin, im Xenon

Nathan Leopold und Richard Loeb, zwei hochintelligente 18jährige Sprößlinge der Chicagoer Upperclass, lieben sich. Doch was in romantisch grobkörnigen Schwarzweißbildern wie das Tagebuch der Liebe zweier Schönlinge im Ambiente der zwanziger Jahre beginnt, bekommt nach und nach Risse. Nathan (Craig Chester) und Richard (Daniel Schlachet) schlingern zwischen Lebenslust und Überdruß in ihrer bürgerlich-bigotten Umwelt herum, gierig suchen sie die Kicks, die ihre Liebe einzigartig machen und ihr Dasein aus der vermeintlichen Durchschnittlichkeit reißen sollen.

Richard, der Jurastudent, will seine kriminelle Phantasie austoben, und Nathan nutzt sein Wissen um Richards Vorlieben, um ihn von sich abhängig zu machen – es geht um Macht, genauer, um die Frage, wer Herr ist und wer Sklave. Es muß ein Mord her, denn beide träumen vom perfekten Verbrechen als ultimativer Tabuverletzung. So wird kurzerhand der Freund von Richards kleinem Bruder erschlagen und das Ganze als Entführung getarnt. Doch trotz aller Vorkehrungen hinterläßt der Mord Spuren am Tatort und auch in der Beziehung der beiden. Sie haben sich übernommen. Liebe und Alibi zerbrechen in Verhör und Gerichtssaal, doch die Abhängigkeit voneinander bleibt.

Die authentische Geschichte der beiden Studenten und ihres Verbrechens war im Jahr 1924 das gefundene Fressen für die Skandalpresse. Bereits im Jahr 1948 wurde dieser Stoff von Alfred Hitchcock und zehn Jahre später von Richard Fleischer verfilmt. Doch wo Hitchcock und Fleischer hollywood- und zeitgeistgerecht an der Oberfläche des eigentlichen Verbrechens bleiben mußten, konzentriert sich Kalins Film von 1991 auf die psychologische Betrachtung seiner beiden „Helden“.

Dabei zitiert der Regisseur, Autor und Koproduzent Kalin allerdings recht häufig aus den Geisteswelten Sigmund Freuds oder Leopold von Sacher-Masochs. Daß es dennoch kein Ratespiel für Nachwuchs-Freudianer wurde, ist nicht zuletzt der Kamerakunst von Ellen Kuras zu verdanken, die zusammen mit der zarten, aber nicht kitschigen Kammermusik James Bennetts eine intensive Atmosphäre schafft. Überzeugend ist schließlich auch die schauspielerische Leistung Craig Chesters, der als Nathan zwischen Lust, Skrupel und Arroganz hin- und herpendelt.

Kein Film von der Stange, was dennoch nicht erklärt, daß er erst vier Jahre nach seiner Aufführung auf der Berlinale in die deutschen Kinos kommt. Michael Roetzscher

„Swoon“. Regie: Tom Kalin, USA, 1991; bis 10.7. im Xenon, Anfangszeiten und Adresse siehe cinemataz

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