: Einige hundert Rumänen in Lumpen gesteckt
■ Wolfram Polewczinski, Polizist a.D., kritisiert den Polizeibericht: Eine Verletzungsgefahr durch Reißverschlüsse bestand gar nicht. Die Trainingslumpen waren aus Plastik
Zwischen 1990 und 1994 hat die Polizei rumänische Abschiebehäftlinge mit Trainingsanzügen ausgestattet, aus denen sämtliche Reißverschlüsse entfernt wurden. Begründung: Mit scharfgeschliffenen Metallreißverschlüssen hätten sich die Rumänen Verletzungen zufügen können. Die Polizei hat dem Abgeordnetenhaus eine zwölfseitige Stellungnahme vorgelegt, über die am 26. August der Innenausschuß beraten wird. Die taz sprach mit Polizeioberkommissar a.D. Wolfram Polewczinski, der die Lumpen-Affäre im April 1996 öffentlich machte.
taz: Sie haben den Bericht der Polizei als beschönigend bezeichnet. Was kritisieren Sie?
Polewczinsky: Die ausrangierten grünweißen Trainingsanzüge der Polizei, die zwischen 1990 und 1994 an Rumänen ausgegeben wurden, hatten alle Plastikreißverschlüsse. Auch die Anzüge der Volkspolizei, die nach 1994 ausgehändigt wurden, hatten Plastikreißverschlüsse. Das wußten auch die Direktionsleiter 1991 in ihrer Besprechung, als sie die Einkleidung in diese Lumpen bekräftigten. Die wußten, daß bereits geeignete Trainingsanzüge vorhanden waren.
Von den Plastikreißverschlüssen konnte keine Gefährdung ausgehen?
Nein. Außerdem gibt es andere Gegenstände, mit denen sich Gefangene verletzen können, beispielsweise Plastiklöffel, die beim Essen ausgeteilt werden. Wenn ich einen Plastiklöffel durchbreche, habe ich eine scharfe Kante und kann mir die Haut aufritzen.
Eine Schwäche des Berichtes ist, daß er keinerlei Zahlen nennt, wie viele Rumänen in diese zerlöcherten Trainingsanzüge gesteckt wurden.
Es waren einige hundert Fälle. Die Anweisung galt ja für alle rumänischen Abschiebehäftlinge, ohne Ausnahme. Ich habe der Polizeiführung allein 30 Lichtbilder als Beweismaterial vorgelegt, darunter 20 Frauen und 10 Männer. Strafverdächtige, die der Justiz überstellt wurden, durften dagegen ihre eigene Kleidung behalten. Das ist eine makabre Unterscheidung. Wenn man davon ausgeht, daß alle Rumänen durch Selbstverletzung gefährdet sind, hätte man sie gleich behandeln müssen.
Der Bericht leugnet, daß durchgeschwitzte Anzüge an die Rumänen weitergereicht worden seien.
Das ist gelogen. Es gab fünf intakte Trainingsanzüge. Die waren 1991 für die Vorführung vor dem Richter angeschafft worden, nachdem ein Richter zwei Abschiebehäftlinge wegen menschenunwürdiger Kleidung aus der Abschiebehaft entlassen hatte.
Einen der fünf Anzüge hat ein Pole kaputtgemacht, weil er hoffte, dann auch freizukommen. Da waren es noch vier.
Wenn an einem Tag sechs oder acht Rumänen richterlich vorgeführt wurden, mußten die ersten vier die Anzüge an die nachfolgenden weitergeben. Die waren total verschwitzt, wenn die bei 30 Grad Außentemperatur auf nackter Haut getragen wurden. Die wurden irgendwann mal gewaschen, aber auch nicht jeden Tag. Interview: Dorothee Winden
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