Zwischen den Rillen: Schattenboxen mit Frau T.
■ Soul im breitenwirksamen Vortrag: Ann Peebles sucht das Positive
Die Geschichte von „I Can't Stand The Rain“ hat sich längst herumgesprochen: Tina Turner machte 1984 zum Disco-Hit, was Ann Peebles 1973 als Soul- Hymne geschaffen hatte. Die Jahre dazwischen gehörten dem Disco- und seiner Unterabteilung, dem Philly-Sound. Magere Zeiten für den Deep Soul und Ann Peebles, die sich 1979 aus der Öffentlichkeit zurückzog, auch, um mehr Zeit mit ihrem Sohn verbringen zu können. Sie unterrichtete fortan sprachbehinderte Kinder.
Ann Peebles' Verhängnis besteht – mehr denn je – darin, daß ihre Stimme der Tina Turners so ähnlich ist. Vor fünfzehn Jahren und vor dem verheerenden Erfolg von „Private Dancer“ hätte das keine so große Rolle gespielt; heute hat eine solche Identifizierung ähnliche Folgen wie ein Lebenslänglich im Knast.
Nun wird man behaupten, daß Peebles für Gleichzeitigkeiten wirklich nichts kann – was nicht ganz stimmt. Die Frau hat einigen Anteil an diesem komischen Symbolbildungsprozeß. „Fill This World With Love“ bebildert einen gewissen neuen, das unselige Schattenboxen mit Turner erst so recht an die Oberfläche hebenden Hang Peebles' zum breitenwirksamen Vortrag.
Irgendwie gelangt nicht voll in den Ton, was doch im Ton sein sollte. Bobby Manuels Art, mit der Gitarre durch ausgedehnte Rock-Soli zu poppen wie einst Glenn Frey in seinen besten achtziger Jahren, macht Songs wie „I'm Yours“ schon fast zur Stapelware. „Wouldn't Take Nothing For One Moment I Spent With You“, ein Duett zwischen Ann Peebles und ihrem Ehemann und Produzenten Don Bryant, könnte genauso gut ins Repertoire von Dionne Warwick oder Mariah Carey passen, die gewiß auch ihre Anhänger haben. Doch ihre Art eleganter Leere – die wegen ihrer perfekten Strukturiertheit so schwer nachzuweisen ist – verbinde ich eigentlich nicht mit „Soul“.
Jetzt wird es – hoppla! – Zeit für das Wörtchen „erdig“, denn auf Peebles' „Fill This World With Love“ wird bei aller Meckerei doch weniger weiß- und weichgespült als bei den Persil- Ladies. Ann Peebles' „neuer“ Memphis-Soul ist immer noch eher schwerfällig: tapsig wie junge Bären die Bläser (und ebenso scheu), grell die Chöre. Dennoch gibt das Album mit seinen vielen nicht vorhandenen Ecken und Kanten ein interessantes Beispiel für die verschiedenen Strategien und Taktiken ab, mit denen Soul sich wieder an eine breitere Öffentlichkeit wendet, seit Rap – einst sein cooler Erbe – auch als Sound für Kindergeburtstage taugt.
So heißt der jüngste Versuch eines großen Plattenkonzerns, das Marktsegment Soul zu erproben, „Black & Beautiful“ – hat aber mit Soul genausoviel zu tun, wie ich mit Maria Hellwig und „Die Musik kommt“. Normopathie ohne Geheimgeschichten. Ann Peebles ist immer dann am besten, wenn sie posthippieske Community-Gedanken in die Welt schickt. Schon vor drei Jahren – damals veröffentlichte sie „Full Time Love“ – bekannte sich Peebles zu positiven Songs, die einen in positive Stimmung versetzen sollen, auch zu Easy Listening – Peebles' Art, den Zustand der Welt zu kommentieren.
Das klingt wie Doris Lessings These, wonach die Explosion der Kriminalität in der Gegenwart von zu aggressiver Musik herrühren soll und zu Zeiten Glenn Millers unmöglich gewesen wäre. Peebles fordert „reasons good enough“ und ist mit Zeilen wie „we got to feel each other / sisters and brothers“ und „we can all be free“ („Fill This World With Love“) mindestens ebenso nah an Santa F., Welthauptstadt der Esoteriker, wie an Memphis. Das Vibrato („When I'm Over You“) erinnert mich manchmal an Joni Mitchells zitternden Unterkiefer, aber das finde ich dann schon wieder sympathisch.
Bleibt zu ergänzen, daß die von Al Green vielbeschäftigte Hi Rhythm Section wieder dabei ist und die Memphis Horns, die einem von Otis Redding oder Wilson Pickett her vertraut sind. Und Mavis Staples. Zusammen mit Staples zeigt Peebles, was drin gewesen wäre. Am Ende und zur Bekräftigung der Nachbarschafts-Chose gibt es so etwas Ähnliches wie einen von (tatsächlich) James Last begleiteten Karneval – na gut, da unten heißt es Mardi Gras, nämlich ein Medley aus alten und älteren Peebles-Songs wie „99 lbs“. Anke Westphal
Ann Peebles: „Fill This World With Love“ (Bullseye Blues/ Zensor)
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