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Nigers Präsident regiert mit Militär und Islam

■ Die herrschenden Militärputschisten veranstalten eine Wahl. Hinter dem Amtsinhaber stehen die Armee und die mächtigen traditionellen Würdenträger

Berlin (taz) – Es ist eine Präsidentschaftswahl nach Maß. Auf der einen Seite stehen vier Politiker, die schon vor drei Jahren gegeneinander antraten, als laut Staatsspitze „Unordnung, Anarchie und Sabotage“ regierten. Auf der anderen Seite steht Ibrahim Baré Mainassara, kurz „IBM“, Chef der Armee und Leiter des „Rats der Nationalen Errettung“. IBM ist Präsident der Republik Niger und will es auch bleiben. Am Sonntag findet in dem bitterarmen Sahelstaat, der die höchste Kindersterblichkeit der Welt mit der weltweit drittgrößten Uranproduktion vereint, die erste Runde der Präsidentschaftswahlen statt.

1993 war Niger einer der wenigen Staaten Westafrikas, die ihre Militärherrschaft durch eine zivile Mehrparteiendemokratie ersetzten. Als Armeechef IBM am 27. Januar 1996 putschte, wurde Niger zum ersten Land der Region, das seine Demokratie wieder durch ein Militärregime ersetzte. Mit seinem Coup gab Mainassara jenen Kräften in Westafrika Auftrieb, die von der Demokratisierung genug haben und eine Rückkehr zu stabileren, weil repressiveren Zeiten wünschen. In einem Interview erklärte Mainassara, er habe die Demokratisierung Nigers zunächst unterstützt, bis die Politiker begannen, Rolle und Vergangenheit der Armee zu durchleuchten: „Man hätte nicht zulassen dürfen, daß die Militärs zur Zielscheibe werden.“

Unter „IBM“ ist Nigers Armee, die im Krieg der letzten Jahre gegen Rebellen der Tuareg-Minderheit in der Saharawüste ihre Kampferfahrung stählen konnte, gut aufgehoben. Sie leitet seit dem Putsch die Provinzverwaltungen und gilt damit offiziell im Wahlkampf als neutral, auch wenn zum Beispiel die Militärbehörden Unterstützern des Amtsinhabers Fahrzeuge zur Verfügung stellen. Mit der Privilegierung des Militärs folgt Baré Mainassara erfahrenen Vorbildern: Seine erste Auslandsreise führte ihn nach Algerien, wo er als Botschafter von 1990 bis 1992 die Annullierung der Wahlen durch die Armee nach dem Sieg der Islamisten miterlebte und nach eigenem Bekunden „nützliche Kontakte“ zum Militär knüpfte. Und als der Westen nach dem Putsch Niger Gelder strich, sprangen Libyen und Nigeria ein.

Es war der Zorn westlicher Geldgeber über den Putsch, der Mainassara veranlaßte, sich zur Wahl zu stellen. Ursprünglich war an eine Rückkehr zur formalen Demokratie höchstens in einem Jahr gedacht, und „IBM“ bestritt heftig, sich per Wahl als Präsident verewigen zu wollen. Lediglich eine neue Verfassung solle geschrieben werden, und für diesen Zweck sollte ab Anfang März drei Monate lang ein „Nationales Forum zur Demokratischen Erneuerung“ beraten. Als Frankreich, Nigers Hauptgeldgeber, das für zu lange befand, verkürzte Mainassara die Tagungszeit des „Forums“ auf eine Woche, vom 1. bis zum 7. April. Die 700 Teilnehmer bekamen fertige Dokumente vorgelegt, aufmüpfige Delegierte wurden vor die Tür gesetzt. Binnen 24 Stunden hatte Niger eine neue Verfassung – zufällig perfekt zugeschnitten auf die Wünsche von Baré Mainassara, der sich prompt zur Kandidatur bereit erklärte.

Niger wird nun so regiert: Der Präsident, „Garant der nationalen Einheit“, führt die Regierungsgeschäfte und ernennt Minister und Premierminister. Dem Parlament ist er nicht verantwortlich. Das Parlament besteht aus einem gewählten Unterhaus und einem Oberhaus aus „traditionellen Häuptlingen“.

Mit anderen Worten: Niger ist formal eine Demokratie – aber die Regierungsgeschäfte sind der demokratischen Kontrolle weitgehend entzogen. Zudem wird die Macht der traditionellen Autoritäten institutionalisiert. Sie sind unter der Haussa-Bevölkerung auf dem Land sehr einflußreich und haben enge politische und geschäftliche Verbindungen zu den islamischen Emiraten des nördlichen Nigeria sowie nach Saudi- Arabien. Im zu 98 Prozent islamischen Niger sorgen sie für die Wahrung konservativer Moralvorstellungen. Außerdem leiten sie jetzt den Wahlkampf des Präsidenten.

Am 12. Mai wurde diese Verfassung per Referendum angenommen – allerdings bei einer Wahlbeteiligung von nur 35 Prozent und sogar lediglich 22 in der Hauptstadt Niamey. Kurz darauf fielen das nach dem Putsch verhängte Parteienverbot und der Ausnahmezustand. Schon zuvor hatten Frankreich und der Internationale Währungsfonds (IWF) ihre Niger- Hilfen wieder aufgenommen.

So konnte „IBM“ als erstes Wahlkampfgeschenk die ausstehenden Gehälter der 40.000 Staatsbediensteten nachzahlen. Damit aus dem Putschisten ein gewählter Präsident wird, braucht er jetzt nur noch seine vier Gegenkandidaten zu schlagen, darunter der im Januar gestürzte Expräsident Ousmane. Dominic Johnson

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