: Asylbewerberheime wie KZs?
■ Empörung über Behauptungen des bündnisgrünen Abgeordneten Ozan Ceyhun. CDU fordert Entlassung
Frankfurt/Main (taz) – In den Unterkünften für AsylbewerberInnen in Deutschland herrsche in etwa derselbe „Komfort“ wie in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Und als diese Flüchtlingsunterkünfte dann brannten, hätten „Millionen Deutsche dem barbarischen Morden der extremen Rechten und der Rassisten tatenlos zugesehen“. Diese und andere Sätze, die nicht nur von der hessischen CDU als „dumpfe Hetze gegen Deutschland“ interpretiert werden, stehen in dem in der Türkei erschienenen Buch: „Alemanya – da bir Türk – ein Türke in Deutschland“.
Autor des Werkes ist Ozan Ceyhun (36), nicht mehr nur Türke in Deutschland, sondern seit Jahren deutscher Staatsbürger. Er ist Abgeordneter der Bündnisgrünen im Kreistag Groß-Gerau und – bis vergangenen Dienstag – Leiter des Büros für Einwanderer, Flüchtlinge und ausländische Arbeitnehmer im hessischen Ministerium für Jugend und Familie.
Nach Protesten auch aus den eigenen Reihen wurde der „Laberkopp“, so ein Bündnisgrüner aus dem Landkreis, von seiner Ministerin strafversetzt und darf demnächst in der allgemeinen Jugendhilfe tätig werden. Noch am Montag hatte Margarethe Nimsch (Bündnisgrüne) zwar den Vergleich von Asylunterkünften mit Lagern der Nationalsozialisten als „absurd und völlig unangemessen“ zurückgewiesen, sich aber hinter ihren Mitarbeiter gestellt. Ceyhun habe stets die auf Integration und Ausgleich gerichtete Ausländerpolitik der Landesregierung loyal vertreten. Und weil Ceyhun erklärt habe, daß er sich heute von seinen eigenen Aussagen distanziere und sich dafür „in aller Form entschuldigte“, sah Nimsch zunächst keine Veranlassung, dienst- oder disziplinarrechtliche Maßnahmen gegen ihren Mitarbeiter einzuleiten. Ceyhun habe auch zugesichert, die weitere Veröffentlichung seines Buches „bis zu einer sorgfältigen Überarbeitung“ zu stoppen.
Im Landtag brach danach dennoch ein Sturm der Entrüstung los: „Wer Deutschland beleidigt, darf nicht führender Mitarbeiter in einem hessischen Ministerium sein“, schäumte etwa der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Gerald Weiß. Denn bei den „Haßtiraden Ceyhuns gegen Deutschland“ habe es sich keineswegs nur um „flapsige Ausrutscher in der Hitze des politischen Gefechts“ gehandelt, sondern um ein von ihm veröffentlichtes Buch, über dessen Inhalt der Mann doch wohl „sicher eine Weile nachgedacht“ haben müsse.
Ceyhun selbst schweigt bislang beharrlich zu allen Vorwürfen. Aus dem Ministerium war lediglich zu hören, daß er sich im Gespräch mit der Ministerin mit dem Hinweis entschuldigt haben soll, daß er die strittigen Passagen in der sehr emotionsgeladenen Atmosphäre nach den diversen Mordanschlägen auf Asylunterkünfte geschrieben habe. Der von Parteifreunden als „ehrgeizig“ bezeichnete Ceyhun war aussichtsreicher Kandidat für die nächste Europaliste der Bündnisgrünen in Hessen. Die CDU bestand gestern weiter auf seiner „Entlassung“ aus dem Ministerium. Und die CDU im Kreistag von Groß-Gerau wird Ceyhun wohl auffordern, sein Mandat niederzulegen. Ende der Karriere eines Türken in Deutschland? Klaus-Peter Klingelschmitt
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