: Wer mobbt, hat bei VW schlechte Karten
Der Autokonzern hat mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung gegen Mobbing, sexuelle Übergriffe und Rassismus am Arbeitsplatz getroffen. Ahndung bis zur Kündigung ■ Aus Hannover Jürgen Voges
„Natürlich werden Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz manchmal auch regelrecht krank“, sagt Barbara Grimm, Sprecherin des VW-Betriebsrates in Wolfsburg. Aber das seien trotz der 45.000 Beschäftigten im Wolfsburger VW- Werk eher Einzefälle. Auch „Beschwerden von Kolleginnen über unsittliche Berührungen“ durch männliche Kollegen sind Frau Grimm „durchaus bekannt“. Und einen Überblick über sexuelle Belästigungen, auf die keine Beschwerde erfolge, habe natürlich niemand. „In einem Betrieb dieser Größe findet sich eben alles, was draußen in der Stadt, in der Gesellschaft auch vorkommt“, sagt die Betriebsratssprecherin.
Unter dem unverfänglichen Titel „Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz“ hat der Gesamtbetriebsrat von VW jetzt mit der Unternehmensleitung eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, die bisher einmalig für bundesdeutsche Großunternehmen ist. Der Vertrag richtet sich ausdrücklich gegen sexuelle Belästigung, Mobbing und Rassismus in den sechs inländischen VW-Werken und sieht darin einen „Verstoß gegen die Menschenwürde“ und „eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts“ der Opfer und vor allem „eine schwerwiegende Störung des Arbeitsfriedens“.
„Aus Sicht des Betriebsrates soll die Vereinbarung das Wohl jedes einzelnen Beschäftigten schützen“, sagt Barbara Grimm. Das Unternehmen habe aber eben auch schlicht „ein wirtschaftliches Interesse an einem vernünftigen Arbeitsklima“, weil eben kranke oder weniger leistungsfähige Mitarbeiter Geld kosteten. So fragen etwa die Abgesandten des VW- Gesundheitsdienstes, wenn sie Beschäftigte zu sogenannten „Rückkehrgesprächen“ aufsuchen, schon heute auch immer nach psychischen Problemen, nach Mobbing am Arbeitsplatz. Dieses unkollegiale, am Ende gar krank machende Verhalten beschreibt die Betriebsvereinbarung als „Verleumden von Werksangehörigen“ und als „Verbreiten von Gerüchten über Kollegen“. Auch gegen „unwürdige Behandlung durch Vorgesetzte“, gegen „Drohungen“, „Beschimpfungen“ und das „absichtliche Zurückhalten arbeitswichtiger Informationen“ können sich Mobbingopfer mit Hilfe der neuen Betriebsvereinbarung wehren. Sie sichert ihnen Vertraulichkeit zu, wenn sie sich an das VW-Personal- oder Gesundheitswesen, die Frauenbeauftragte oder auch den Betriebsrat wenden.
Diese Stellen sind zur Aufklärung der Vorwürfe und der Beratung der Betroffenen verpflichtet — auch zu „Gegenmaßnahmen“ bis hin zu „arbeitsrechtlichen Konsequenzen“. Diese Gegenmaßnahmen können von der Belehrung bis hin zur Kündigung reichen.
Nicht alles, was jetzt in der Vereinbarung umfassend gereglt wird, ist wirklich neu. Gegen „Diskriminierung aus rassistischen, ausländerfeindlichen oder religiösen Gründen“ in den VW-Werken hatten sich Unternehmensleitung und Betriebsrat schon vor zehn Jahren in einer gemeinsamen Erklärung ausgesprochen. Frauen mußten sich schon bisher „unerwünschte Körperkontakte“ oder „Aufforderungen zu sexuellen Handlungen“ keineswegs gefallen lassen. Eindeutig verbietet die Vereinbarung jetzt allerdings auch „das Zeigen sexistischer und pornographischer Darstellungen im Betrieb“.
Vor allem aber will sie das „partnerschaftliche Verhalten am Arbeitsplatz“ gezielt fördern: In der beruflichen Fort- und Weiterbildung werden sich bei VW künftig vor allem Vorgesetzte und Ausbilder auch mit der sexuellen Belästigung am Arbeistpaltz, dem Mobbing und der Diskriminierung auseinandersetzen müssen. In einer „umfassenden Aufklärungs- und Informationskampagne“ sollen der gesamten Belegschaft per Broschüre die neuen partnerschaftlichen Verhaltensgrundsätze nahegebracht werden. Nicht zuletzt will man sich bei VW künftig auch um die Täter kümmern. Auch sie werden beraten und ihnen kann „zur Abhilfe ihres diskriminierenden Verhaltens“ auch eine Therapie angeboten werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen