: Philip Morris beschummelt italienischen Fiskus
■ Staatsanwaltschaft hat Manager-Pässe eingezogen und Anklage erhoben
Neapel (taz) – Imagekampagnen und prächtige Werbung allein helfen nicht. Daß bei dem US- Tabakkonzern Philip Morris auch noch etwas mit Zigaretten war und Schlimmeres, schien allenfalls ferner Vergangenheit anzugehören. Nun hat nicht nur die Vergangenheit den Konzern wieder eingeholt, sondern ganz handfest auch die Gegenwart: Italiens Staatsanwälte haben eine Anklage wegen einer der größten Steuerhinterziehungen der Nachkriegsgeschichte erhoben. Mehr als umgerechnet zehn Milliarden Mark soll Philip Morris durch den Aufbau von Scheinfirmen in Italien an Steuern weggeschummelt haben.
Italiens Gesetze reduzieren die Steuern für im Inland ansässige ausländische Hersteller mächtig, da Tabak hier Staatsmonopol ist. So haben die Amerikaner ihren Konzern in Italien einfach anders genannt und ihre Geschäfte über die Firma Intertaba abgewickelt. Die war aber nicht wirklich produktiv tätig, wie vom Gesetz verlangt, sondern soll lediglich die Geschäfte des Konzerns besorgt haben. Wegen Fluchtgefahr haben die Staatsanwälte den leitenden Managern der Scheinfirma sowie dem Europarepräsentanten von Philip Morris die Pässe entzogen.
Daß Philip Morris auch etwas mit Tabak zu tun hat, war so manchem schon ganz aus dem Gedächtnis verschwunden. Wo immer der Name auftauchte, wo immer Reklame geschaltet wurde, sah der Zeitgenosse große Veranstaltungen zu kulturellen Themen oder sportliche Großereignisse. Mal als ganzseitige Anzeige zur Frage europäischer Neugestaltung, mal als prächtiges Farbbild mit einem heiteren Segelschiff und fröhlichen Leuten drauf. Dazwischen veranstaltete der Trust auch Goodwill-Reisen für brave Journalisten, da durfte man dann eine oder zwei Wochen in den USA verbringen, geführt und geleitet von freundlichen Hostessen, die zeigten, welch menschenfreundliches Unternehmen da doch zugange ist.
Willkommen waren danach selbst Artikel, die sich über die ganze Reise lustig machten, wie die einer damaligen taz-Mitarbeiterin – Hauptsache, die düsteren Geschichten der Vergangenheit standen nicht im Vordergrund.
Davon hat Philip Morris genügend im Aktenschrank. Erneut werden sich nun die US-Tabakler mit all jenen unappetitilichen Geschichten auseinandersetzen müssen, die seit Jahren das Bild des Konzerns trüben. Von den jahrzehntelang unter Verschluß gehaltenen Untersuchungen über die Rauchsüchtigen bis zu den vom Konzern niemals widerlegten Berichten hochrangiger Mafiosi. Demnach soll Philip Morris in den 80er Jahren den in Italien seit jeher florierenden Tabakschmuggel in die eigene Hand genommen haben und die bis dahin dominierende Camorra Neapels gar durch gedungene Killer aus dem Markt zu drängen versucht haben.
Anfang der 90er Jahre verhängte der damalige Finanzminister Italiens Rino Formica mehrere Male ein Verkaufsverbot für Produkte aus dem Konzern. Die Konsequenz war offenkundig keineswegs eine Rückkehr von Philip Morris zur Legalität, sondern ein neues System der Agabenhinterziehung – und die Imagekampagne, die dem Konzern das Attribut des sozial engagierten Multis verpassen sollte. Werner Raith
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