: Wilhelmsburg zur Zeit ohne Horizont
Ermittlungen in Drogenberatungsstelle: 280 Klienten von Schließung betroffen ■ Von Knut Henkel
Die Drogen-Beratungsstelle „Horizont“ in Wilhelmsburg ist geschlossen: Querelen zwischen dem Trägerverein „Arbeitskreis Drogenhilfe Wilhelmsburg“ und der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) haben dafür gesorgt, daß sie seit einer Woche dicht ist. Nur ein ehrenamtlicher Notdienst durch die bisherigen BetreuerInnen verhindert nun, daß die 280 KlientInnen völlig sich selbst überlassen bleiben.
Gerüchte, die Beratungsstelle solle nach Harburg verlegt werden, verunsichern die Drogenabhängigen. Durch die Schließung würden aufgebaute Vertrauensverhältnisse zerstört, da die Gründe für die Klienten unverständlich seien, betonte Arne Beer, Mitglied der mit dem „Horizont“ verbundenen Selbsthilfegruppe, „Kinder des Zorns“, gegenüber der taz.
Die BAGS hingegen erhebt schwere Vorwürfe gegen das BeraterInnenteam, und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Veruntreuung und Betrug. Deshalb habe man sich für einen Trägerwechsel entscheiden müssen, teilt die Behörde mit. Der Standort Wilhelmsburg soll erhalten bleiben.
Bereits am 1. Juli hätte die „geordnete Übergabe“ an den neuen Träger „Jugend hilft Jugend“ stattfinden sollen. Verhindert habe das, so die Behörde, der alte Träger, der sich kooperationsunwillig gezeigt und den Mietvertrag mit der SAGA erst Ende Juni gekündigt habe.
Aus Sicht der bisherigen BetreuerInnen Ingo Susemihl und Gabi Schulz kommt der Trägerwechsel aber einer Vorverurteilung gleich. Leidtragende der Streitigkeiten seien allein die KlientInnen.
Mitte nächster Woche, so hofft Kai Wiese, Geschäftsführer des neuen Trägers, soll die Übergabe klappen. Das Angebot soll zur suchtintegrativen Beratung erweitert werden, sprich: Auch um Abhängige legaler Drogen wie Alkoholkranke sollen die BetreuerInnen sich künftig kümmern und ihre Arbeit auf den gesamten Bezirk ausweiten.
Schlecht steht es dagegen um die Drogenberatung für die Untersuchungs- und Strafgefangenen in der Jugendanstalt Hahnöfersand, die bisher ebenfalls von „Horizont“ geleistet wurde. Die Hamburger Haushaltssperre führte dazu, daß die Gelder erst einmal eingefroren wurden und die Jugendlichen seit dem 1. Juli ohne Drogenberatung sind. „Therapievorbereitung und Vermittlungen können nicht fachgerecht weitergeführt werden, das bedeutet längere Haftzeiten für viele Gefangene“, so Gisela Alberti, Mitarbeiterin des neuen Trägers „Alkoholfreie Selbsthilfe“. Zusätzliche Hafttage seien aber viel teurer als Drogenberatung.
Erst Mitte Juli wird sich zeigen, so die Justizbehördensprecherin Sabine Westphalen, ob die für die Drogenberatung vorgesehenen Mittel einem bereits vor Ort arbeitenden Verein „Alkoholfreie Selbsthilfe“ zukommen können oder ob sie der Haushaltskonsolidierung (2,74 Millionen Mark muß die Justizbehörde einsparen) zum Opfer fallen werden.
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