■ Mit der Rüstungsbranche auf du und du: Deutlich überschätzt
Berlin (taz) – Die Bundesrepublik Deutschland sei, so meldet das Friedensforschungsinstitut Sipri, im Jahre 1995 der drittgrößte Waffenexporteur der Welt gewesen, 1994 sogar noch der zweitgrößte. Doch zugleich finden sich in der Sipri- Hitliste der größten Rüstungsfirmen nur wenige deutsche Namen. Daimler-Benz, das heißt in erster Linie die Luftfahrtochter Dasa, stand als größter deutscher Rüstungskonzern 1993 international auf einem blassen zwölften Platz (den ersten Platz hielt die US-Flugzeugfirma Lockheed), auf Platz 42 folgte Siemens, Nummer 47 war damals der Bremer Vulkan.
Die Dasa erzielt knapp ein Drittel ihrer Umsätze mit Rüstungsgütern; das waren 1993 rund 4,8 Milliarden Mark. Siemens verdiente mit elektronischer Ausrüstung nur knapp 1,5 Milliarden Mark oder zwei Prozent des Gesamtumsatzes am Militär. Die viertgrößte deutsche Rüstungsfirma, Diehl, verkaufte für 1,2 Milliarden Panzerketten, Minen und Munition, und Thyssen, zu dem auch die Blohm&Voss-Werft gehört, setzte knapp 900 Millionen vor allem mit Panzern und U-Booten um. Unter den 100 weltgrößten Rüstungskonzernen finden sich ferner die Preussag-Tochter Howaldtswerke-Deutsche Werft (700 Millionen) und die Mannesmann-Tochter Krauss- Maffei, die mit Panzern 450 Millionen umsetzte. – Die Bedeutung der Rüstungsindustrie für die bundesdeutsche Wirtschaft wird allzuoft kräftig überschätzt. Der Anteil der Rüstungsexporte an den Gesamtexporten beträgt nur 0,3 Prozent. Und nur ein Zehntel der Exporteinnahmen kann nach Einschätzung der Ebenhausener Stiftung Wissenschaft und Politik die Industrie verbuchen – der große Rest sind NVA-Bestände, die die Bundesregierung größtenteils an Nato-Staaten wie Portugal oder die Türkei verscherbelt.
Zudem steht die Rüstungsindustrie seit Ende des Kalten Krieges vor einem heftigen Schrumpfungsprozeß. Haben zu kriegerischen Glanzzeiten noch 280.000 Menschen in der Rüstungsbranche gearbeitet, sind es heute nur noch schätzungsweise 100.000. Viele Firmen, wie etwa der Familienbetrieb Wegmann, der noch vor zehn Jahren fast ausschließlich mit dem Verkauf von Panzertürmen vom Militär lebte, haben ihre Produktion diversifiziert, indem sie zivile Firmen hinzukauften. Das Fachblatt Jane' s Defence Weekly schrieb letztes Jahr, daß die deutsche „Verteidigungsindustrie“ ohne große Umstrukturierungen kaum noch international mithalten könne. Gegen die USA hätten nur europäische Konsortien eine Chance. Nicola Liebert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen