: 42 Quadratmeter Hamburg
■ Das Eimsbüttler Wohnungsamt weiß es ganz genau: Zweieinhalb Zimmer sind für eine sechsköpfige Familie völlig angemessen Von Marco Carini
Das Doppelbett im Schlafzimmer ist nur von einer Seite zu erreiche – will Udo Köger in seine Ehebetthälfte gelangen, muß er schon einen Satz machen, vorbei an Wiege und Regal. Für einen Kleiderschrank – kein Platz. So stapelt sich fast das gesamte Hab und Gut der Familie im knapp 18 Quadratmeter großen Wohnzimmer.
Als Udo und Jutta Kröger 1989 samt Sohn Julian-Pascal in die Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung in der Nähe der S-Bahn-Station Langenfelde einzogen, war ihre Wohn-Welt noch in Ordnung. Doch bald darauf kam weiterer Nachwuchs: Janine (heute 4), Dominick (2) und der kleine Maurice (6 Monate) komplettierten das Familienglück. Die Familie wuchs, die Wohnung aber wuchs nicht mit. Und Aussicht auf eine größere Bleibe gibt es nicht. Das Eimsbüttler Wohnungsamt verwehrt der Familie den dringend benötigten Dringlichkeitsschein.
Zwar hat die Wohnung in der Ernst-Horn-Straße immerhin 74 Quadratmeter, doch geht ein Großteil dieser Fläche für den langgezogenen, kaum nutzbaren Flur drauf. Bleiben zweieinhalb Zimmer mit insgesamt 42 Quadratmetern für die sechsköpfige Familie. Die drei ältesten Kinder sind in einem Raum untergebracht. Ein Schrank, ein Wickeltisch, das Gitterbett für Dominick und das selbstgebaute Etagenbett für Janine und Julian – schon ist der Raum gerammelt voll, Spielfläche Mangelware.
Doch die großen Probleme mit dem kleinen Wohnraum werden im nächsten Jahr noch zunehmen. Wenn Jutta Krüger in wenigen Wochen eine schwierige Hüftoperation hinter sich gebracht hat, wird sie mit ihren Krücken kaum noch das verbaute Bett erreichen.
Für Julian-Pascal, der im kommenden Herbst in die Schule kommt, gibt es keinen Platz, an dem er ungestört Hausaufgaben machen könnte. Zudem wachsen die beiden ältesten Kinder allmählich aus ihren nur 1,40 Meter kurzen Matratzen heraus. Doch kommen längere Betten in den Raum, hat der Schrank nur noch vor dem Fenster Platz. Aus dem Kinderzimmer würde eine Dunkelkammer.
Um der unerträglichen Enge zu entkommen, beantragte Udo Krüger beim Eimsbüttler Wohnungsamt im August einen Dringlichkeitsschein, der der Familie die Suche nach einer Sozialwohnung erheblich erleichtern würde. Doch die Behörde lehnte den Antrag ab, ohne die Behausung auch nur in Augenschein zu nehmen. Lapidare Begründung des Amtes: „Ihnen stehen ausreichende Wohnverhältnisse zur Verfügung“. Das Wohnungsamt kann sich dabei auf eine „fachliche Weisung“ der Baubehörde berufen. Doch die Behördenvorgabe sieht Härtefall-Ausnahmen vor.
Als Udo Krüger etwa dem Einwohneramt des Bezirks Nord seinen Fall schilderte, bekam er nach eigenen Angaben die Antwort: „Bei uns hätten Sie sofort einen Dringlichkeitsschein erhalten“. Auch die GAL-Bürgerschaftsabgeordnete Susanne Uhl weiß: „Die Wohnungsämter haben einen großen Spielraum beim Auslegen der fachlichen Weisung. Normalerweise gibt es bei einem solchen Fall keine Probleme mit dem Dringlichkeitsschein“.
Doch da in Eimsbüttel die Uhren anders laufen, liegt der Fall inzwischen vor dem Eimsbüttler Widerspruchsausschuß. Sollte Udo Krüger auch hier keinen Dringlichkeitsschein erhalten, will er klagen, und notfalls bis vors Bundesverfassungsgericht ziehen.
Dabei kann er sich auf die Expertise einer Eimsbüttler „Erziehungs- und Familienberatungsstelle“ beziehen. In ihr kommt die zuständige Psychotherapeutin zu dem Schluß, es sei „absolut erforderlich, die „Wohnungsnot“ der Familie zu beenden“, um „Agressionen und Grenzüberschreitungen durch fehlende Rückzugsmöglichkeiten nicht noch mehr Vorschub zu geben“.
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