„Ein Leben ohne Auto“?

■ Hamburgs RadlerInnen sind Schönwetter-Fans / Restposten vom Hinterhof /Ein Drittel aller Autofahrten sind kürzer als drei Kilometer Von Kai Mierow

Schadstoffe, Lärm, Flächenverbrauch, Unfälle, Verkehrschaos: Eigentlich ist alles gesagt, und doch lohnt der Hinweis, daß das urbane Leben der Zukunft ein Leben ohne Auto sein sollte.

Allein der Faktor Lärm macht deutlich, was für eine Belastung das Auto darstellt. Wie das Umweltbundesamt Berlin bereits 1990 mitteilte, fühlt sich die Hälfte der Bevölkerung durch Straßenverkehrslärm belästigt. Und rund 15 Millionen Menschen können sich in ihren Wohnungen erst dann unterhalten, wenn alle Fenster und Türen geschlossen sind.

Trotzdem rumort der Traum von Freiheit und Mobilität weiter in den Köpfen hiesiger AutofahrerInnen. Und das nicht von ungefähr: Jahrzehntelang haben Verkehrswissenschaft und Verkehrspolitik Mobilität mit Automobilität gleichgesetzt, Mobilität wurde einfach an der Häufigkeit der Autofahrten gemessen. Erst in den 70er Jahren wurde der einseitig formulierte Begriff entkoppelt und einer kritischen Analyse unterzogen.

Dennoch geht der Trend nur zögerlich in Richtung Drahtesel. Denn: Auch Hamburgs RadlerInnen sind Schönwetter-Fans. Nur im „Super-Sommer 1994“ stiegen deutlich mehr FahrerInnen auf ihr Bike als gewöhnlich. Dies ergab die Auswertung der Fahrrad-Verkehrszählungen zwischen 1984 und 1994 durch die Hamburger Baubehörde. An mehr als zwanzig „Radfahrmeßpegeln“, quer über die Stadt verteilt, wurde ermittelt, daß zwar ein Anstieg des Radverkehrsaufkommens festzustellen ist – insgesamt aber fällt dieser kaum ins Gewicht.

Das Auto bleibt weiterhin unser liebstes Kind. VerkehrswissenschaftlerInnen haben herausgefunden, daß nur die Hälfte aller Autofahrer auf die Benutzung eines PKW festgelegt ist – und dennoch wird er genutzt, gerade in der Stadt. Denn wer sich erst einmal an das Auto gewöhnt hat, dem fällt eine Umstellung auf das Fahrrad oft schwer. Selbst im Nahverkehr ist das Auto das meistgenutzte Beförderungsmittel. Ein Drittel aller PKW-Fahrten enden bereits nach drei Kilometern, insgesamt 50 Prozent aller Autofahrten nach höchstens fünf Kilometern: Das Zigarettenholen mit dem Auto ist noch immer gesellschaftsfähig. Aber auch Familien oder Personen mit schweren Lasten sind – wie eine Studie belegt – nicht unbedingt auf das Auto angewiesen. Viele Fahrradgeschäfte bieten inzwischen Transporträder an, mit denen bequem vier Kinder befördert werden können.

Wer in Zukunft den Sprung in ein autofreies Leben wagen will, dem sei das Buch „Ein Leben ohne Auto“ von Hiltrud Burwitz, Henning Koch, Thomas Krämer-Badoni (rororo) empfohlen. Hier wird anhand einer empirischen Studie belegt, daß ein Verzicht die Lebensqualität steigert. Weiterhin finden sich eine Menge praktischer Tips, die helfen, eventuelle Engpässe zu umgehen.

Und noch ein Tip zum Abschluß: Am Fahrrad zu sparen, lohnt nicht. Beim Fachhandel bekommt der Kunde mehr für sein Geld. Wer trotzdem auf die Lockangebote von Kaufhäusern und sogenannten Hinterhofshops eingeht, sollte bedenken, daß die Fahrräder oft technisch alles andere als optimal sind. Gerade Hinterhofshops, also Läden mit Minimalausstattung, die zum Teil Restposten aufkaufen, bieten Räder zwar preisgünstiger an, dafür fehlt jeglicher Service. Fachhändler wie Christian Hoch von „Der Fahrradladen“ lehnen es ab, die in den Hinterhofshops von Laien montierten Räder zu warten: „An diesen Dingern muß nur noch gebastelt werden, langfristig rechnen sich solche Räder nicht“.