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Rauher Wind

■ Ein schwieriges Feld: Wohin geht's mit Hamburgs Bücherhallen?

Hamburgs öffentliche Bibliotheken sind schon etwas Besonderes. Das fängt erstens damit an, daß sie gar nicht Bibliotheken heißen, sondern Bücherhallen. Zweitens sind die Bücherhallen, was die Benutzergebühren betrifft, die teuersten Bibliotheken Deutschlands, und zwar mit Abstand. Drittens haben die Bücherhallen trotzdem zuwenig Geld. Viertens müßte also gespart werden, was sich aber als schwierig erweisen dürfte, steht doch im aktuellen Bericht des Rechnungshofes, die Bücherhallen betreffend, der Satz: „Bei Jahresrechnung, Buchhaltung und Kassenführung bestanden erhebliche Mängel.“ Auf gut deutsch: Man kann dort mit Geld nicht umgehen.

Fünftens wäre es selbst dann, wenn sich die Bibliothekare das Rechnen in Crash-Kursen einpaukten, mit dem Sparen so eine Sache. Denn was die Bücherhallen wollen sollen, welche Bereiche ihrer Arbeit unverzichtbar sind, an welchen geknabbert werden könnte, das weiß niemand so genau. 1914 waren sie gegründet worden, um, wie es damals hieß, die Hamburger „mit gutem Schrifttum“ zu versorgen. In Zeiten audiovisueller Medien ist diese Beschreibung überholt, eine neuere gibt es aber nicht. Die Kulturbehörde arbeitet gerade an einem Strukturkonzept, das bis zum Herbst verabschiedet sein soll.

Sechstens kann die Behörde nun aber im Grunde noch gar nicht mit der Arbeit beginnen, weil gegenwärtig nicht klar ist, wer das Konzept im Herbst umsetzen wird. Der jetzige Direktor Hanno Jochimsen geht Ende Juli in Pension, die Nachfolgefrage ist alles andere als geklärt. Gerade wurde der Posten, der immerhin einen Etat von 50 Millionen Mark und 500 Planstellen verwaltet, in den Fachzeitschriften ausgeschrieben.

Ist es bei dieser Lage ein Wunder, daß die Bücherhallen ein wenig ins Gerede geraten sind? Vergangene Woche gab es eine Debatte in der Hamburger Bürgerschaft, in der die Vertreterin der Statt-Partei die Bücherhallen als „geldschlingenden Moloch“ bezeichnete. Der Bericht des Rechnungshofes drückte denselben Gedanken vornehmer aus: Bei den Bücherhallen bestünden „Rationalisierungsreserven“. Und das ist überhaupt der Punkt, weshalb wir das alles hier erzählen. Auch wenn sich Jochimsen über eine Fehlveranschlagung von Personalmitteln beklagt, die 800.000 Minus in den Etat reißen, das kann es nicht sein – das Problem liegt vielmehr darin, daß die Bücherhallen nicht segelfertig sind für den rauheren Wind niedrigerer Kulturetats. Insofern hat der Rechnungshof schon recht mit seinen „Rationalisierungsreserven“. Aber man darf nicht unterschätzen, was das heißt: Rationalisierungsreserven. Er heißt Stellenabbau und Verringerung des Angebots. Die Richtung, in die das Sparen gehen soll, gibt der Rechnungshof denn auch an: Die öffentlichen Buchprüfer Hamburgs wollen einzelne Dependancen der Bücherhallen schließen. Effizienzsteigerung heißt das in Rechnungsprüferdeutsch und in Wirklichkeit: totsparen! Bei aller berechtigten Kritik an Versäumnissen und Führungs-schwäche ginge das zu weit. Schließlich sollen die Bücherhallen auch in Zukunft etwas Besonderes bleiben. So reihen wir uns ein in den Chor, der da ruft: Frau Kultursenatorin, übernehmen Sie! Und auch wenn die Kulturbehörde keine sonderlich glückliche Figur gemacht hat, es gibt Signale, daß sie den Ruf erhört. Wir bleiben dran! Dirk Knipphals

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