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Warten auf Sonne, Sonne, Sonne

■ Sonnenenergie wird kaum genutzt / Bremens erste große Solaranlage soll 1997 in Gröpelingen ans Netz gehen

Nach wie vor scheiden sich die Geister, wenn es um die Nutzung von Sonnenenergie geht. Besonders umstritten: Photovoltaik, die Technik, die Sonnenstrahlen in Strom verwandelt. „Das Ineffizienteste, was man tun kann, wenn man Kohlendioxid einsparen will.“ Das jedenfalls sagt Dr. Almut Kirchner von der Energieleitstelle Bremen. Als „Technologie der Zukunft“ bezeichnet dagegen Manfred Maly, Diplom-Ingenieur der Solartechnik, diese Form der umweltfreundlichen Stromproduktion. „Die Photovoltaik wird sicher immer billiger werden“, vermutet er. Seine Begründung: die Anlagen würden zunehmend in Massenproduktion hergestellt. Deshalb habe sich der Preis in den letzten drei Jahren schon halbiert.

Während Windräder bereits zum festen Bestandteil des norddeutschen Landschaftsbildes geworden sind und Wasserkraft aus den steilen Bächen der Mittelgebirge und aus Talsperren längst in die Energiekonzepte einkalkuliert ist, herrscht weitgehende Funkstille zum Thema Sonnenenergie: Der Anteil der Solarenergie – der technisch anspruchsvollsten regenerativen Energie – bewegt sich im Promillebereich des Gesamtbedarfs in Deutschland. Die industrielle Produktion findet im Ausland statt. Siemens hat in den USA ein großes Solarzellenwerk errichtet und erwartet die ersten Gewinne in fünf Jahren. In Deutschland wird über Photovoltaik zwar geforscht, aber weder produziert noch gefördert, lediglich regional gibt es bisweilen Unterstützung. Während die Elektrizitätswerke im bayerischen Freising und in Aachen zwei Mark pro Kilowattstunde an die Solarstromproduzenten zahlen, gibt's in Bremen für die Einspeisung nur 17,3 Pfennige. Doch Ansätze sind auch im sonnenarmen Norden erkennbar: Nach der Beteiligung am 1.000-Dächer-Programm der Bundesregierung, mit dessen Unterstützung sich 63 BremerInnen eine Photovoltaikanlage aufs Dach setzten, nimmt Bremen jetzt einen neuen Anlauf: In Gröpelingen wird zur Zeit die bundesweit erste in die Dächer integrierte Solaranlage errichtet. 1.920 Quadratmeter Solarzellen auf den Dächern von 80 Reihenhäusern sollen 170.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr erzeugen. Durch zusätzlichen Einbau von stromsparenden Elektrogeräten und ein Energiespar-Training für die künftigen BewohnerInnen werden außerdem 246.000 Kilowattstunden eingespart. Fazit: die Solaranlage könnte den künftigen Strombedarf in den Reihenhäusern zur Hälfte decken. „362 Tonnen Kohlendioxid weniger werden nach Fertigstellung dieses Projekts im Frühjahr 1997 in die Atmosphäre geblasen“, rechnet Projektleiter Alfons Bröker. Die Kosten: 4,76 Millionen Mark, von denen die Stadtwerke Bremen als Eigentümerin der Anlage und das Land Bremen jeweils 1,4 Millionen Mark tragen. Den Rest von 1,9 Millionen zahlt die Europäische Union. Heinrich Peter Berndt, Pressesprecher der Stadtwerke, begründet die hohen Kosten mit dem enormen Planungsaufwand für das Pilotprojekt. Der Solartechniker Manfred Maly hält mehrere kleine Anlagen für effizienter: „Die Gröpelinger Photovoltaikanlage hat eine Leistung von 200 Kilowatt und kostet fast fünf Millionen Mark. Hundert 2-KW-Anlagen, wie sie Greenpeace anbietet, wären für die Hälfte zu haben.“

Manfred Maly hat schon einige solcher Kleinanlagen installiert – bei Erhard Heimsath beispielsweise. In dessen Häuschen in Hastedt deckt die Sonnenkraft die Hälfte des Strombedarfs. Trotz der Finanzspritzen von Land und Bund kommt ihn der Strom jedoch teurer als der aus dem Netz. Egal. „Das war meine Entscheidung gegen industrielle Großstrukturen im Energiebereich“.

Bislang wurden kleine Projekte gefördert: Neben dem 1000-Dächer-Programm verschiedene termische Solaranlagen. Bei dieser Form der Sonnenenergie-Nutzung wird Wasser direkt erhitzt, ohne eine Umwandlung in Strom. Die Freibäder in Horn und im Schloßpark sparen so erhebliche Heizkosten. Auch private Initiativen seien unterstützt worden, berichtet Almut Kirchner von der Energieleitstelle. 79 termische Anlagen seien bis September 1995 mit jeweils 3.600 Mark gefördert worden, das seien bis zu einem Drittel der Kosten. Im Gegensatz zur Photovoltaik hält sie diese Technik für förderungswürdig. Sie bedauert, daß die Unterstützung im Februar dieses Jahres wegen der Finanzknappheit eingestellt worden ist. 269 Anträge lägen noch auf Halde. Für neue Interessenten gibt es jetzt lediglich einen Zuschuß von 1.500 Mark aus dem Bundesförderprogramm. Photovoltaik werde für private Investoren überhaupt nicht mehr gefördert. Sie hält das auch für richtig, denn zur Kohlendioxid-Reduzierung trage diese Technik kaum bei. „Für die Photovoltaik ist die Technologieförderung zuständig“, meint Dr. Kirchner, momentan sei sie ineffizient. Für eine schnelle Reduzierung der Kohlendioxid-Emissionen, räumt auch Manfred Maly ein, seien andere Maßnahmen, wie Windenergie- oder Fernwärmenutzung, noch billiger und damit schneller zu realisieren. Schon bald jedoch könnten Solaranlagen einen wesentlichen Beitrag zum Energiehaushalt leisten. Dazu müßten sie jetzt gefördert werden.

Stephan Günther

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