: Die Elbe wandelt sich vom Hindernis zum Weg
■ Erste Hochgeschwindigkeits-Fährlinie nimmt heute in Hamburg den Betrieb auf
Hamburg (taz) – Das Wesentliche sei, „den Fluß als Weg zu begreifen und nicht als Barriere“, sagt Svenja Heinrich. Diesen Gedanken hat die 26jährige nicht nur formuliert, sondern auch umgesetzt. Als Projektkoordinatorin der Reederei SAL im nordniedersächsischen Steinkirchen hat Heinrich ein gerüttelt Maß zur ersten verkehrspolitischen Innovation in Hamburg seit Erfindung der S-Bahn beigetragen: Heute nimmt Deutschlands erste Hochgeschwindigkeits-Fährlinie, der „elbe-city-jet“, den Dienst auf. In nur 45 Minuten legen die Katamarane „Hanseblitz“ und „Hansepfeil“ die 40 Kilometer zwischen den Hamburger Landungsbrücken und dem Elbanleger vor der niedersächsischen Kreisstadt Stade zurück. 202 Passagiere und 20 Fahrräder haben auf einer Fähre Platz, die mit 64 Stundenkilometern übers Wasser braust. Die Preise orientieren sich mit 15 Mark für die einfache Fahrt an den Bahntarifen; Leute mit Monatsabo sind dagegen mit 5 Mark pro Fahrt dabei.
Dafür sind sie nicht nur schneller als mit der Bahn, die etwa 70 Minuten für die Strecke benötigt, und mit Auto, das je nach Staulänge im Elbtunnel 90 bis 150 Minuten unterwegs ist. Sie sind auch umweltfreundlich: Mit 70 Dezibel unterbieten die Doppelrumpf- boote die Lärmemissionen eines Nahverkehrzuges um die Hälfte. Und pro Passagier werden etwa 1,5 Liter Diesel gebraucht. Gute Gründe für Svenja Heinrich, vom Erfolg des Projekts überzeugt zu sein. Fast 30.000 ArbeitnehmerInnen pendeln werktäglich aus dem Raum Stade zur Arbeit nach Hamburg. Ein paar hundert von ihnen von der Straße zu bekommen, ist das Ziel: „Wir rechnen mit knapp 600 Pendlern pro Tag“, so Heinrichs vorsichtige Prognose. Verkehrsexperten sehen jedoch ein Potential von 6.000 bis 8.000 Umsteigern.
Einen solchen Ansturm könnten die rasanten Flitzer jedoch „nicht einmal ansatzweise bewältigen“, gesteht Heinrich; bei fünf Fahrten zwischen 6 und 9 Uhr ist deren Kapazität bereits bei 1.000 Passagieren erschöpft. Sollte es so kommen, dann wird wohl „eine dritte oder gar vierte Fähre“ bestellt. Die ersten beiden wurden zum Stückpreis von 5,35 Millionen Mark von den Werften Abeking & Rasmussen in Lemwerder bei Bremen und Lindstöl im norwegischen Risör gemeinsam gebaut. Dort wie in Heinrichs Reederei laufen inzwischen die Drähte heiß: Interessenten zwischen Kiel, New York und Hongkong erkundigen sich nach Kalkulationen, Bauzeiten und sonstigen Details des Modellprojekts. Sven-Michael Veit
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen