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Merkel: Wir sind schon halb am Klimaziel

■ Die Prognosen der Umweltsachverständigen unterschlägt die Umweltministerin

Bonn (AP/taz) – Heute wird bei der UNO-Klimakonferenz in Genf endlich mit der Veröffentlichung des US-Vorschlags gerechnet. UmweltschützerInnen gehen allerdings nicht mehr davon aus, daß darin konkrete Vorschläge für ein völkerrechtlich verbindliches Protokoll stehen werden. Der anstehende Wahlkampf in den USA verhindert ein Ende der Blockadepolitik, heißt es. Auch Saudi-Arabien, Kuwait und Australien wollen einem Protokollentwurf nur dann zustimmen, wenn er nichts enthält, was ihrem Geschäft mit fossilen Brennstoffen schaden könnte. So diskutieren einige Länder in Genf inzwischen, ob sie nicht die Konvention mit ihrem Einstimmigkeitsbeschluß ändern sollen, um endlich ohne die Bremser weitermachen zu können.

Unterdessen stellt sich Umweltministerin Angela Merkel als Oberklimaschützerin dar. Der Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid sei hierzulande zwischen 1990 und 1995 um 12,7 Prozent zurückgegangen. Damit sei das Ziel, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr 2005 um 25 Prozent zu verringern, zur Hälfte erreicht, behauptete die Ministerin gestern. Die Zahlen des EU-weiten Überwachungssystems für Kohlendioxid und andere Treibhausgase belegten, daß der Kohlendioxidausstoß in Deutschland von 1994 auf 1995 um ein Prozent gesunken sei. Pro Einwohner bedeute das einen Rückgang von 11 auf 10,8 Tonnen. In den alten Ländern verringerte sich die Pro- Kopf-Emission von 11 auf 10,9 Tonnen, in den neuen von 11,1 auf 10,5 Tonnen. 1990 waren pro Einwohner in Westdeutschland noch 11,2 und in Ostdeutschland 18,9 Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre gelangt.

Daß das Klima-Ziel – minus 25 Prozent bis zum Jahr 2005 auf der Basis von 1990 – tatsächlich erreicht wird, stellen die Sachverständigen für Umweltfragen jedoch massiv in Frage. Nach ihren Berechnungen werden im Jahr 2005 etwa 980 Millionen Tonnen Kohlendioxid aus deutschen Schloten und Auspuffrohren emittiert – nur 4,6 Prozent weniger CO2 als 1990. Noch immer profitiere die deutsche Klimabilanz vom Zusammenbruch der DDR-Wirtschaft. In den nächsten Jahren werden die CO2-Zahlen aber auf jeden Fall wieder steigen.

Vor allem im Verkehrsbereich fordern die Sachverständigen mehr Engagement der Bundesregierung. Merkel dagegen vertraut auf die freiwillige Selbstverpflichtung der Automobilindustrie, Blechkisten mit geringerem Spritverbrauch zu konstruieren. Vom Gesamtverbrauch der deutschen Autoflotte ist nirgendwo die Rede.

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