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Sie fährt und fährt und fährt ...

■ .. weil sie immer wieder gerettet wurde: 100 Jahre Eisenbahn Elmshorn-Barmstedt

„Kuddl Barmstedt“ nennen die Menschen im südwestlichen Hol-stein liebevoll alle Schienenfahrzeuge, die auf der West-Ost-Strecke der Eisenbahn AG Altona-Kaltenkirchen-Neumünster (AKN) zwischen Elmshorn, Barmstedt (Kreis Pinneberg) und Henstedt-Ulzburg (Kreis Segeberg) verkehren. Eine Verbindung mit Geschichte: Die Elmshorn-Barmstedter Eisenbahn (EBE) feierte gestern ihren 100. Geburtstag.

Ursprünglich sollte die „Schusterstadt“ Barmstedt schon Mitte des 19. Jahrhunderts an die ab 1844 errichtete Nord-Süd-Linie von Altona nach Kiel angeschlossen werden. Aber erst am 18. Juli 1894 wurde die Elmshorn-Barmstedter Eisenbahn AG in Elmshorn gegründet. Im April 1895 erfolgte im Elmshorner Stadtteil „Sibirien“ der erste Spatenstich für die seinerzeit rund drei Millionen Mark teure Gleisstrecke. Am 15. Juli 1896 rollte die erste Dampflok mit rund 25 Kilometern pro Stunde auf der zunächst rund zehn Kilometer langen Strecke.

Die EBE und die damals 20 Mitarbeiter transportierten mit zwei Dampfloks, fünf Personenwagen und 14 Güterwagen vor allem regionale Produkte wie Schuhwaren, Wachs und Fleischerzeugnisse. Auf dem Rückweg brachten die Züge seit 1907 aus dem östlichen Hol-stein Düngemittel, Kohlen und Saatgut mit. Inzwischen war nämlich die Elmshorn-Barmstedter-Oldesloer Eisenbahn (EBO) mit einer Streckenlänge von immerhin 52,7 Kilometern entstanden – bis zum Mauerbau eine der wichtigsten Linien im West-Ost-Güterverkehr in Schleswig- Holstein. Ab 1933 setzte die EBO im Güterverkehr Dieseltriebwagen ein, 1954 wurde die letzte Dampflok ausrangiert. In den folgenden Jahren ging die Transportnachfrage vor allem beim Güterverkehr stark zurück. 1959 wurde der erste Stillegungsantrag gestellt. Doch das Land Schleswig-Holstein, damals mit 93 Prozent Mehrheitsgesellschafter, entschloß sich zur Sanierung. Schienenbusse ersetzten die alten Triebwagen, handbediente Schranken wichen ferngesteuerten Blinklichtanlagen.

Nach der Öffnung der DDR-Grenze bei Lübeck (1962) erfuhr der Güterverkehr der EBO eine Wiederbelebung, im Fahrgastverkehr waren die Zahlen rückläufig. Auch die Kooperation mit dem Hamburger Verkehrsverbund (HVV) seit 1966 konnte daran wenig ändern. 1973 wurde der Personenverkehr auf der Strecke zwischen Barmstedt und Bad Oldesloe eingestellt, anschließend die Strecke zwischen Ulzburg und Blumendorf bei Bad Oldesloe abgerissen.

Eine weitere Krise folgte 1978, als die rund drei Millionen Mark teure Eisenbahnbrücke über die Autobahn 23 (Hamburg-Heide) notwendig wurde. Auch diesmal sprach sich das Land für den Erhalt der Strecke aus. 1981 ging die EBO dann gemeinsam mit der Alsternordbahn im Verbund der AKN auf.

Heute verkehren moderne Triebwagen zwischen Elmshorn und Barmstedt sowie im Personenverkehr dreimal täglich auch zwischen Barmstedt und Ulzburg. Die einstige Strecke der EBE wurde für rund 11,3 Millionen Mark modernisiert, die Haltestellen saniert.

Bernd-Olaf Struppek

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