Der taz-Sommerroman: "Dumm gelaufen" - Teil 2

Der Vater, sein Zensor, die Stimme diktierte ihm das Leben seit seinem achten Geburtstag, bis Afram endlich in den Genuß der Freiheit einer geschlossenen Abteilung im AK Ochsenzoll geriet. Besetzt von Ihrem Zensor, analysierte der Arzt, ist auch eine Form der Freiheit! Gibt es eine Garantie? Selbstverständlich, Afram! Ab dem Entlassungstermin übernehmen wir für die Unversehrtheit Ihrer Psyche zwölf Monate Garantie. Denn Ihr Verstand wurde mit den besten Therapien, Analysen und Medikamenten wieder hergestellt und zudem einer genauen Qualitätskontrolle unterzogen. Deshalb garantieren wir Ihnen eine einwandfreie, logische und methodische Funktion Ihrer Gedanken und Handlungen und übernehmen die volle rechtliche Gewährleistung. Wenn sich während der zwölf Monate Mängel wie Mord und Totschlag einstellen, sind Sie für keine der Taten zur Verantwortung zu ziehen. Füllen Sie bitte nur den Garantiescheck aus, den Sie morgen bei Ihrer Entlassung erhalten! Morgen? Ja, morgen! Also morgen. Lieber morgen, nur nicht heute, sagen alle kranken Leute! Afram ahate.

Da fällt mir noch ein: Schäden, die auf unsachgemäßer Behandlung (wie übermäßiger Alkohol-, Drogen- oder Kuchenkonsum) Ihrer Psyche beruhen, fallen nicht unter die volle rechtliche Gewährleistung der Anstalt. Aber Sie können selbstverständlich derart selbstverursachte sowie nach Ablauf der Garantiezeit auftretende Schäden zu einem Pauschalpreis von DM 993,79 tgl., inkl. Einlieferung, Bett und MwSt., in unserer Anstalt behandeln, beleben oder beheben lassen. Schneller geht's per Telefon. Rufen Sie einfach unseren Notdienst an. Wir holen Sie ab.

Das Brookländer Würstchen mit dem Knacks

Von der Ungeduld eines trockenen Handtuchs und warum Kommissar Brook sich nicht zwischen einem französischen Weichkäse, Eis am Stil oder einer einfachen Marzipankugel entscheiden kann.

Schwarz. Rot. Gold. Blatt für Blatt. Der Herbst – kein politischer – belegte das Gras vor seinem Balkon. Kommissar Brook radierte diesen einbrechenden Sturm von Herbst aus, diese kalte, gemeine Zeit. Mit archetypischen Gedanken. Vergangenheit. Und so. Alles an ihm juckte. Und Kommissar Brook kratzte sich Wunden. Aber nichts kratzte ihn mehr. Diese Ekzeme. In der Wirklichkeit und im wirklichen, seinem Leben. Brook wässerte im Bad. Angenehm. Eingelegt. In Öl. Und Kräutern! Ohne Schaum. Sein Fleisch lag weiß wie Schafskäse in dem gebügelten transparenten Naß. Nichts rührte sich in Brook. Seine Zehen standen wie Molen im Wasser. Strähnen vom kriechenden Nebel zogen über den Badsee und eine Kette aus Tropfen lag um seinen Hals, nichts als ekliger Schweiß. Vom Bier. Sein Kopf war ein Atompilz über der Wasseroberfläche. Und ähnliche Vergleiche zeugte das Bier in Brook. Und Lust auf Sex. Fünfundfünfzig Prozent der Bundesbürger teilten diese Lust mit Brook. Niemand war allein mit seinem Schweinsein. Das tiefte Brook in eine Zufriedenheit mit weiteren Aussichten auf die Zukunft. Brook summte einen Lindenberg. Wo ich meinen Hut hinhäng', da ist mein Zuhause. Aber ihm fehlte die Lady in diesem Stück. Eine Frau. Eine Blond, seine Frau. Hier im Wasser. Das Wasser schaukelte ihm Erinnerungen in den Kopf. Blonds Brüste wie Bojen. Kleine Inseleien der Liebe. Rette dich, wenn du kannst! hatte ihn Blond mit all den Sirenen in ihrer Stimme gelockt. Und Brook kam ihrem Ruf nach. Ohne Petersilie in den Ohren. Ohne an den Mast gebunden zu sein. Er war der griechische Mast, ein Mann aus der Ägäis, und der Süden floß in seinem stierischen Blut. Ich komme, rette mich, wenn du kannst! Dann entern von Blond. Besetzen. Lieben. Mit dem Schaumschlag ihrer Münder. Kleine Schweinereien mit Seife. Sie hatten es auf den Wellen reiten genannt.

(Fortsetzung folgt)

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