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Keine PKK-Werbung im Offenen Kanal

■ Nach revolutionären Werbesendungen ändert die Bremer Landesmedienanstalt die Satzung

Es war ein ganz besonderes Fernseh-Nachtprogramm, das sich der staunenden Bremer Kabelnutzerin vor einigen Wochen geboten hat. Während auf den einen Privatkanälen wahlweise Krimi-Blut oder Talkshow-Tränen flossen und auf den anderen die LiebhaberInnen verschwitzter Softporno-Unterhaltung ihren Spaß hatten, flimmerte über einen Kanal Revolutionsgut. Untermalt mit zackiger Marschmusik, arabischen Kommentaren oder verschluchzten Revolutionshymnen pflügten ganze Panzerbataillone durch Wüstensand, reckten Heerscharen bekopftuchter Kämpferinnen grimmig die Faust gen Himmel, von nicht minder grimmigen Männern ganz zu schweigen, und die Fahnen flatterten, wie Fahnen nur flattern können. Wer nun meint, die Rede ist vom propagandaberüchtigten türkischen Staatsfernsehen, der ist schief gewickelt. Die Sendung kam mitten aus Bremen, und zwar vom Offenen Kanal. Und wer da so beeindruckend für die eigene politisch-militärische Sache warb, das waren die Volksmudschaheddin, die mit dem Irak verbandelte iranische Opposition.

Die Vertreter der Bremer Landesmedienanstalt und des Landesrundfunkausschusses waren ziemlich unangenehm berührt, als sie gestern auf die Sendung angesprochen wurden. Die Anstalt und mit ihr im Hintergrund der Ausschuß vergeben nicht nur Lizenzen für terrestrische- oder Kabelfrequenzen, zur Anstalt gehören auch die Offenen Kanäle in Bremen und Bremerhaven. Die werden jährlich mit zwei Millionen Mark aus dem Topf der Rundfunkgebühren finanziert. Das Werbefilmchen für die iranischen KämpferInnen war nicht der einzige problematische Streifen, der über die offenen Bremer Sender gegangen ist. Vor einem Jahr hatte es einen Werbefilm der in Deutschland verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK für den bewaffneten Kampf gegeben.

Ein großes Problem, gab Wolfgang Schneider, Direktor der Landesmedienanstalt zu. Es seien nicht nur die politisch bedenklichen Filme, die der Anstalte Bauchweh machen. Vor einiger Zeit lief im Offenen Kanal Bremerhaven ein Video der AnhängerInnen des Wunderheilers Bruno Gröning – eine Gruppe, mit der sich durchaus Sektenbeauftragte beschäftigen. Schneider: „Aber ahnden können wir immer erst hinterher, wenn der Verstoß erfolgt ist. Schließlich gibt es keine Zensur.“ Verstoß heißt in dem Fall Verstoß gegen geltende Gesetze. Und da sei bei den Gröning-AnhängerInnen nichts zu machen gewesen, außer: „Wir haben Kontakt zum Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche aufgenommen und gesagt, er könnte auch eine Sendung machen, durchaus zeitnah“, erzählte Gerhard Schäfer, der Vorsitzende des Landesrundfunkausschusses.

Bislang mußte jeder Beitrag gezeigt werden, wenn die AnbieterIn vorher ihren Ausweis vorgelegt hatte. Das war das Einfallstor für die inkriminierten Polit-Streifen, die irgendwo produziert und dann über Mittelsleute bundesweit in den Offenen Kanälen plaziert wurden. Nun haben sich die Anstalt und der Ausschuß etwas einfallen lassen. Sie haben die Satzung für den Offenen Kanal verändert. Die Beiträge müssen jetzt „überwiegend selbst produziert“ sein, und eine deutsche Inhaltsangabe muß mitgeliefert werden. Schneider: „Wir wollen keine Abspielstation für pro-Mullahs oder anti-Mullahs sein.“ Ohnehin habe sich die Anstalt die Volksmudschaheddin-Streifen übersetzen lassen und dabei festgestellt: „Die Bilder sind deutlich martialischer als die Texte.“ J.G.

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