■ Kommentare Was täten die Italiener ohne die Deutschen?
: Prachtvolles Volk

Was täte die Welt, wenn es keine Deutschen gäbe? Nicht nur, daß über ein Fünftel aller Einnahmen futsch wäre. Schrecklich wäre es vor allem deshalb, weil wir niemanden mehr hätten, über den wir uns erheben könnten. Der Deutsche, die Deutsche – ach, wie gut eignen sie sich, je nach Bedarf als Kommißkopf oder Softie vorgeführt zu werden, als geldverschleudernden Neureichen oder als knauserige Neckermann-Touristin, als walkürenhafte Emanze oder als unbedarfte Lili Marleen.

Die Japaner belächeln wir, weil sie so artig in Gruppen anrollen und so viel fotografieren. Aber sie haben nichts, worauf wir herabblicken könnten; schließlich treten wir Italiener, aber genauso Spanier, Schweden oder Amerikaner auch gerne in Gruppen auf, und Fotos für daheim schießen wir ebenfalls in Menge. Über die Amerikaner amüsieren wir uns, weil sie so drollig gekleidet sind und so bläßlich aussehen. Aber auch da ist wenig, worüber man sich erheben könnte, schließlich sind unsere Pappagalli auch bunt angezogen. Die Schweden eignen sich auch nicht für Überheblichkeit unsererseits, schon deshalb, weil wir sie meist in weiblicher Gestalt wahrnehmen: blond und topless.

Doch die Deutschen! Was sie auch machen, es ist egal. Sind sie fleißig und ordentlich, frozzeln wir über ihr verkrampftes Verhältnis zur Arbeit. Sind sie ausgelassen, bezeichnen wir sie als Suffköppe. Sind sie höflich, erinnern wir uns an die Gentleman-Offiziere, die aber am Ende auch KZs ermöglicht haben. Doch das Schönste von allem: Sie stimmen zu, die Deutschen. Was immer wir ihnen zum Vorwurf machen, wo immer wir ihnen ihre „Unterlegenheit“ vorhalten – sie halten sich stets für die Schlimmsten, die Doofsten, die Extremsten. „Ach ja, so wie ihr sollte man sein“ heißt der Wahlspruch der Deutschen im Ausland. Und wir hören das natürlich gerne.

Amerikaner, denen man arrogant kommt, hauen drauf, Japaner konterkarieren uns durch ewiges Lächeln, Schweden durch Nichtverstehen, Engländer durch heftiges Weghören. Nur die Deutschen stimmen sofort herzlich ein in den Chor der Deutschenvrächter. Was für ein prachtvolles Volk. Vielleicht halten wir die Deutschen vor allem deshalb für so überlegen, weil sie sich immer so unterlegen geben. Giancarlo Surpi

Der Autor ist Fremdenverkehrsmanager im südlichen Lazio