■ Querspalte: Revolte gegen Augstein
Als die Kommentare von Spiegel- Herausgeber Rudolf Augstein immer kryptischer wurden und seine Aufmacher immer märchenhafter („Der Troja- Schatz im Silbersee“), begann die Redaktion über einer Ablenkungsstrategie zu brüten. Seit drei Wochen ist jetzt das Ergebnis im Blatt zu sehen: eine neue Humor-Rubrik namens „Am Rande“. Die Spalten, mindestens zwei pro Heft, sind hellblau eingefärbt und kursiv gesetzt (Zeitschriftentitel und ähnliches sogar doppelt kursiv). Schräge Sache, das: Achtung, hier kommt die echte Satire!
Doch trotz aller hilfreichen Vorwarnungen müssen die LeserInnen – ganz ähnlich wie bei manchen Texten des Herausgebers – oft erst die Hälfte des Textes lesen, bis sie ahnen, was da so ungefähr Sache sein könnte. Geht es etwa um lustige Titel-Ankündigungen aus dem neuen Suhrkamp-Katalog (Handkes „Zurüstungen für die Unsterblichkeit“), wird man erst mal mit einer Kurzzusammenfassung sämtlicher „Suhrkamp-Krisen“ genervt. So eine lange Spiegel-Spalte will halt abgefüllt sein. Beispielsweise mit Gags zum gerade verabschiedeten Umzugsgesetz Bonn–Berlin: Da hat die „Trennungspauschale“ für Beamte einen „Gegenwert von 50 Sauerbraten“, und es hagelt in der Hauptstadt „Bundesbedienstete statt Rosinen“.
Zum tariflichen Widerstand der Gewerkschaften gegen die neuen Ladenschlußzeiten fällt dem Spiegel-Humoristen ein, daß zwar „Aldi, Bolle, Plus und Tengelmann die Supermärkte bis 20 Uhr geöffnet lassen, doch wird in jedem Geschäft nur eine Kasse mit der türkischen Putzfrau besetzt sein“. Und in Sachen Rechtschreibrefom wird noch mal oberlehrermäßig die neue Schreibweise „sitzen bleiben“ bemüht.
Selbst ein süffiges Thema wie die alberne Expedition der ARD-„Tagesthemen“ durch die fünf neuen Länder kriegen die Comedians aus der Brandstwiete nicht so richtig in den Griff. Den besten Gag – „Senioren Camel Trophy“ – mußten sie sich bei Harald Schmidt leihen. Hans-Hermann Kotte
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