Kleine Projekte statt großer Politik

„Flüchtlingshilfe“ beteiligt sich an ersten Aufbauprojekten im zerstörten Bosnien  ■ Von Stefanie Winter

Einen Flickenteppich bildet die Landkarte des ehemaligen Jugoslawien ab, ein zergliedertes Land. Bosnische Gebiete fransen blau in das serbische Gelb. Aktuelle Karten, wie sie Michael Golombek, der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt, von einer Reise nach Bosnien mitgebracht hat, sind in Deutschland derzeit nicht zu haben. Doch selbst neue Pläne weisen die Verbindungskorridore zwischen Blau und Gelb nicht aus. Man erfährt erst vor Ort, wo es ohne Lebensgefahr langgeht. In der vergangenen Woche haben Hamburger Vertreter der „Flüchtlingshilfe“ von AWO und des Caritasverbandes Bosnien besucht. Und Aufbauprojekte in zwei kleineren bosnischen Städten verabredet.

Eine Woche zuvor erst waren Bürgerschaftsabgeordnete nach Bosnien gereist, um die Rückkehrmöglichkeiten für in Hamburg lebende Bürgerkriegsflüchtlinge zu erkunden. Die Flüchtlingshilfe sei bewußt nicht gemeinsam mit ihnen gereist, erklärt Golombek. Von Interesse sei auf dieser Reise nicht die große Politik gewesen, sondern kleine, konkrete Hilfsprojekte. Und während die Abgeordneten in der vergangenen Woche berichteten, daß der humanitären Hilfe nun materielle, praktische Unterstützung vor Ort folgen müsse, haben die Vetreter der Flüchtlingshilfe eben dies bereits angeschoben.

Gemeinsam mit der „Volkshilfe Österreich“ wollen die beiden Hamburger Wohlfahrtsverbände mehrere Schulprojekte in Orasje unterstützen. 250.000 Mark für den Wiederaufbau eines Ausbildungszentrums wurden der Stadt Sanski Most zugesagt. Nach dem Rückzug der Serben im Oktober vergangenen Jahres lebten in der Stadt im Nordwesten Bosniens, die einst 65.000 Einwohner zählte, gerade noch 500 Menschen. Heute sind es bereits wieder 35.000 Männer und Frauen. Und viele Kinder und Jugendliche, berichtet Golombek. Darunter auch junge Soldaten, die entwaffnet wurden und jetzt ohne Beschäftigung sind.

In den Werkstätten des Ausbildungszentrums können Jugendliche in Metall-, Elektro- und Textilberufen ausgebildet und qualifiziert werden. Die Flüchtlingshilfe wird das Geld für die Sanierung des Gebäudes und für die Verbesserung der Ausstattung mit Maschinen, Werkzeugen und Lehrmaterial bereitstellen. Das Zentrum wurde während des Krieges stark beschädigt, die Maschinen sind kaputt, Ersatzteile fehlen.

Die Hälfte der Stadt sei zerstört, sagt Golombek. Es gebe hier wie überall in Bosnien kein nutzbares Haus, in dem nicht auch jemand wohnt. Der Aufbau der Häuser und Straßen, die Versorgung mit Wasser und Elektrizität müsse gefördert werden. Wenn jetzt bereits die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Deutschland zurückkehrten, entstünden nur erneut Flüchtlingslager, setze wieder eine Vertreibung von Menschen ein. Daß der Aufbau von Bildungseinrichtungen zu früh kommen könnte, da die grundlegende Infrastruktur noch fehlt, glaubt Golombek nicht. „Hier kommt nichts zu früh, nur vieles zu spät.“