: Olympisches Gold für Gates
■ Microsoft auf dem Weg zum Medienkonzern: Die Softwarefabrik kooperiert mit Fernsehsender NBC - Bill Clinton freut sich über die Wahlkampfplattform
Wenn morgen in Atlanta die 26. Olympischen Sommerspiele eröffnet werden, spielt auch Bill Gates mit – hinter der Tribüne, dort, wo das große Geld herumliegt. Zusammen mit NBC, dem landesweiten Fernsehsender der USA, der die gesamten Übertragungsrechte gekauft hat, richtet Microsoft seinen eigenen Online-Nachrichtenkanal im Internet ein. Seit ein paar Tagen ist das Angebot abrufbar unter http://www.msnbc.com.
Die Kooperation ist auf Dauer angelegt und soll beiden Konzernen neue Märkte eröffnen. Der Sender NBC, der dem Elektrokonzern General Electrics gehört, will seine Nachrichtensendungen wiederverwerten und dabei die jüngeren Zuschauer zurückgewinnen, die lieber durchs Netz surfen, als vor dem Fernseher zu sitzen. Nur wenige Dokumentationen und Talkshows sollen zusätzlich für die Online-Ausgabe produziert werden.
Microsoft seinerseits mausert sich vom reinen Softwareunternehmen zum Medienkonzern. Vor drei Wochen startete schon das Bill-Gates-Cybermagazin „Slate“ (www.slate.com) Nachdem die Debütausgabe in den ersten Tagen wegen Server-Überlastung kaum zu erreichen war, kündigte Microsoft an, zukünftig auch eine gedruckte Version zu verbreiten, die exklusiv in den Filialen der Starbucks Coffeeshops in den USA erhältlich ist. Ausgewählte Slate-Artikel sollen auch im honorigen Nachrichtenmagazin Time veröffentlicht werden – auch der Chefredakteur von Slate ist vom Time Magazine abgeworben worden.
„Contents“, das heißt redaktionelle und künstlerische Inhalte, sind es, mit denen Gates künftig Geld verdienen will. Microsoft hat sich in letzter Zeit immer mehr bei der Produktion von interaktiven CD-ROMs (Cinemania, Music Central) engagiert. Es gibt Joint- ventures mit der Fernsehproduktion Paramount, dem Kabelkanal Black Entertainment Television und dem Filmstudio Dream Works, die Microsoft Rechte an so erfolgreichen Medienmarken wie „Star Trek“ oder allen neuen Spielberg-Filmen einräumen. Weiterhin hält Bill Gates persönlich die digitalen Rechte an den 700.000 Fotos der Corbis Corporation, außerdem an den weltberühmten Bettmann Photo Archives und am Ansel Adams Trust.
Zusammen mit NBC könnte Microsoft nun Rechte an Sportveranstaltungen, Filmen und anderem publikumsträchtigem Spektakel aufkaufen. Gegen dieses Geschäft wäre Ludwig Kirchs Vertrag mit der Internationalen Fußball-Föderation nur ein braver Kuhhandel.
Was man mit solchen Rechten anstellen kann, zeigt ein Blick auf die Homepage von MSNBC: Die grafisch opulent gestaltete Page enthält Filme und Audio-Files über die Olympischen Spiele, die man am besten mit Microsoft-Software anschaut. Microsofts World- Wide-Web-Browser „Internet-Explorer“ und einige andere Programme können darum auch gleich mit heruntergeladen werden. Für die Berichterstattung über die Olympics in Atlanta hat MSNBC praktisch schon jetzt ein Internet-Monopol.
Wen die langen Ladezeiten nicht stören, kann durch eine virtuelle dreidimensionale Simulation des olympischen Geländes fliegen – natürlich nur mit Microsofts Programm für die Darstellung dreidimensionaler virtueller Räume auf dem Bildschirm, das ebenfalls zum Herunterladen bereitliegt.
Selbst Bill Clinton ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen. Der amerikanische Präsident im Wahlkampf gab MSNBC zum Sendestart ein Exklusivinterview – bei Microsoft ist es abrufbar in Echtzeit. Natürlich sieht auch Mister President am besten mit Microsoft-Programmen aus. Während der Online-Dienst Microsoft Network langsam zum Internet-Provider wird, verschafft sich Microsoft weitere Wettbewerbsvorteile gegenüber Netscape, dem wichtigsten Konkurrenten auf dem Markt für Internet-Software.
Nur daß Gates eben nicht nur Werkzeuge liefert, sondern auch sagt, was wir damit tun sollen. Immer mehr Rechte für Filme, Fernsehshows, Sportveranstaltungen und andere Events dürften bald nur noch bei ihm zu erwerben sein. Auch am interaktiven Fernsehen der Zukunft wird wohl vor allem einer verdienen: Bill Gates, der gerade dabei ist, die Standards für die Übertragung von Fernsehprogrammen im Internet zu definieren. Tilman Baumgärtel
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