: Suche nach bekannten Unbekannten
Nach dem Anschlag auf das Auto britischer Bauarbeiter in Mahlow ermittelt die Potsdamer Polizei gegen Dorfclique mit rechtem Hintergrund. Anführer erst kürzlich verurteilt ■ Aus Berlin Barbara Bollwahn
Nach Recherchen der taz spricht immer mehr dafür, daß der Anschlag auf das Auto dreier schwarzer britischer Bauarbeiter im Juni im brandenburgischen Mahlow von Jugendlichen einer dorfbekannten Clique verübt wurde. Sie traktieren seit Jahren und mit schweigenden Zustimmung der Bevölkerung Ausländer. Am 16. Juni warfen die Insassen eines Golfs, der hinter dem Jaguar der gebürtigen Jamaicaner herfuhr, einen Feldstein in deren Wagen. Daraufhin verlor der Fahrer die Kontrolle und überschlug sich mehrmals. Der 36jährige liegt seitdem vom Nacken ab gelähmt im Krankenhaus (siehe gestrige taz).
Ein Zeuge aus Mahlow hatte gegenüber der taz gesagt, daß einer der Insassen des Golfs, ein gewisser Mike, „der Anführer der Clique“ sei. Weil eine Woche nach seiner polizeilichen Vernehmung sein Wagen gestohlen wurde, seine Katze tot im Graben lag und die Polizei ihm keine Anonymität zusichern könne, weigert er sich, den Jugendlichen zu identifizieren.
Gestern bestätigte die Staatsanwaltschaft Potsdam, daß gegen einen Mike V. und sechs weitere Mitglieder der Clique bereits 1994 Anklage erhoben wurde: wegen gefährlicher Körperverletzung, Bedrohung und Sachbeschädigung. Bei den Hausdurchsuchungen vor zwei Jahren seien diverse Gegenstände gefunden worden, die „durchaus auf eine Zugehörigkeit zur rechten Szene“ schließen lassen, sagte Rainer Müller von der Potsdamer Polizei. Nach Angaben des zuständigen Amtsgerichtes wurde Mike V. erst kürzlich dafür verurteilt. Das Strafmaß war nicht in Erfahrung zu bringen. Die anderen wurden freigesprochen. Bei den jetzigen Ermittlungen wegen des Steinwurfs sei man „wieder an der Truppe dran“, so Müller. Die Staatsanwaltschaft Potsdam wollte sich gestern mit Hinweis auf die laufenden Ermittlungen nicht dazu äußern, ob diese Jugendlichen vernommen wurden.
Das Büro der Brandenburger Ausländerbeauftragten ist nach einem Rückgang der Überfälle auf Ausländer in den letzten Jahren „sehr besorgt über die erneute Zunahme“. Nach Angaben des Büros hat nur zwei Tage nach dem tragischen Unfall in Mahlow ein rechtsgerichteter deutscher Jugendlicher in der Stadt Brandenburg einem pakistanischen Asylbewerber eine Gaspistole an die Schläfe gehalten und abgedrückt. Derzeit ist noch offen, ob er die Sehkraft behält. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Potsdam wird gegen den Jugendlichen, der sich derzeit in Haft befindet, wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung ermittelt. Brandenburgs Ausländerbeauftragte Almut Berger zu dem jüngsten Vorfall in Mahlow: „Daß rechtsextreme Kleingruppen bestimmte Stellen in einem Ort besetzen und keiner sich traut, was dagegen zu tun, bestätigt unsere Erfahrungen.“
Kommentar Seite 10
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