: Ein Baske am offiziellen Tourmikrofon
Zu Ehren von Miguel Induráin führte die Tour de France durchs Baskenland. Mit Anschlägen auf Polizeikasernen und einem Fahnenmeer setzten die Basken ihre eigene Note ■ Aus Madrid Reiner Wandler
Eine Ehrung des spanischen Radsportidols Miguel Induráin sollte es werden. Deshalb standen gestern und vorgestern zwei Etappen durch das nordspanische Navarra, der Heimat des fünffachen Tourgewinners, auf dem Plan der Tour de France.
Der kleine Abstecher über den Pyrenäen-Höhenkamm und die Anschlußetappe vom Grenzstädtchen Hendaya nach Bourdeaux riefen die baskischen Nationalisten auf den Plan, denn „hier ist weder Frankreich noch Spanien, sondern Baskenland“. Wer das nicht respektiere, müsse mit Protesten rechnen, die den Rennablauf erheblich behindern könnten, kündigte das linksnationalistische Wahlbündnis Herri Batasuna am Dienstag auf einer Großkundgebung in der Provinzhauptstadt Pamplona an. In der Nacht darauf machten die Separatisten der ETA mit einer Granatensalve auf ein Polizeirevier der Guardia Civil in Otxagabia, direkt an der Rennstrecke, klar, was damit gemeint war. In der Nacht darauf wurde ein Kommissariat in Puente la Reina nur knapp verfehlt. Die Granaten schlugen auf einer benachbarten Wiese ein. Eine Bombe vor einer Bankfilia in Pamplona wurde rechtzeitig entschärft. In einem Park der Kleinstadt Hernani fand die Polizei 55 Molotowcocktails. Gestern morgen gegen 5.30 Uhr verfehlten drei Granaten eine Kaserne der Guardia Civil in Puente de la Reina um gut 150 Meter.
Tourmanager Jean Marie Leblanc zeigte sich überrascht. „Daß Navarra auch Baskenland ist, das wußte ich bei der Planung der Tour nicht“, gestand er der baskischen Tageszeitung Deia. Spätestens als die Separatisten der ETA ihm vor zwei Monaten einen Drohbrief schickten, dürfte ihm ein Licht aufgegangen sein. Die Forderungen von ETA und deren Umfeld: die Nutzung der baskischen Sprache während der drei Etappen und keine spanische Nationalpolizei, keine Guardia Civil. Der Schutz des Spektakels solle ausschließlich von Gemeinde- und Regionalpolizisten bewerkstelligt werden.
In Sachen Sprache gab Leblanc nach. Er nahm eigens einen baskischen Sprecher unter Vertrag, der das offizielle Tourmikrofon bediente. In Sachen Polizei bewirkten die Proteste das genaue Gegenteil. Die Sicherheitskräfte auf beiden Seiten der spanisch-französischen Grenze wurden verstärkt, Dutzende von Jugendlichen verhaftet. Sie hatten Parolen wie „Freiheit für das Baskenland“ auf die Straße gemalt und die Begleitfahrzeuge mit Aufklebern verziert. Jetzt erwartet sie ein Verfahren wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“.
Einer kleinen Gruppe von 200 Demonstranten gelang es dennoch, die Radsportler zu empfangen, als sie den französischen Teil des Baskenlandes erreichten. Im Pyrenäendörfchen Santa Grazi spannten sie eine überdimensionale baskische Fahne über die Straße. Der australische Radsportler Neil Stephens vom ONCE- Team kam als erster an die symbolische Grenze. Höflich bat er um Durchlaß. Zur Überraschung aller auf baskisch. Vor soviel Respekt vor der nationalen Eigenheit der Basken gaben sich die Protestierenden geschlagen und zogen sich an den Straßenrand zurück. Dorthin, wo an den beiden vergangenen Tagen Tausende baskischer Fahnen geschwungen wurden. Der Star hieß ja schließlich Miguel Induráin, trotz sportlichen Mißerfolgs in diesem Jahr. Und „Miguelón“, wie sie ihn in seiner Heimat liebevoll nennen, ist für die meisten Basken in erster Linie ihr Volksheld und nicht der des restlichen Spaniens.
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