■ Mit BSE-Verharmlosern auf du und du: Desinformation
Straßburg (taz) – Die Informationspolitik der EU-Kommission zur Rinderseuche BSE wird von einem Untersuchungsausschuß des Europaparlaments unter die Lupe genommen. Das wurde gestern in Straßburg beschlossen. Nach langem Zögern gab erst die konservative, dann die sozialistische Fraktion ihren Widerstand auf. Bei den Sozialisten waren besonders die britischen Abgeordneten wenig begeistert, das BSE-Drama noch einmal aufrollen zu lassen.
Der Untersuchungsausschuß soll unter anderem klären, was es mit dem Erinnerungsprotokoll aus dem Jahr 1990 auf sich hat. Ein EU-Beamter aus der Verbraucherschutzabteilung hatte damals seine Vorgesetzten schriftlich von einer Sitzung des Veterinärausschusses unterrichtet, in dem sich Vertreter der EU-Kommission und der Mitgliedsländer darauf geeinigt hatten, die Gefahren der Rinderseuche herunterzuspielen und die Presse zu desinformieren. Außerdem sollen Presseberichte überprüft werden, wonach das Exportverbot für britisches Rindfleisch unterlaufen wird.
EU-Agrarkommissar Franz Fischler zeigte Verständnis für den Wunsch der Abgeordneten, Klarheit zu schaffen. Er sieht jedoch vor allem die katastophalen Auswirkungen auf den Markt, die durch die „Verwirrung der Verbraucher“ hervorgerufen werde. Die Grünen fordern dagegen, die Entscheidungen zu BSE nicht länger den Agrarexperten zu überlassen, die vor allem das Wohl des Rindfleischmarktes im Auge hätten. Sie verlangen, daß eine BSE-Arbeitsgruppe mit Beamten aus Abteilungen, die sich mit Gesundheit, Verbraucherschutz und Forschung befassen, eingerichtet wird. Sie sollen die Gefahren für den Menschen und die Entwicklung der Creutzfeld-Jakob-Krankheit (CJK) untersuchen. Vor Abgeordneten des Europaparlaments schilderten Angehörige von Erkrankten den dramatischen Verlauf der Krankheit und klagten die Untätigkeit der britischen Behörden an. Francis Holl berichtete, wie sie von den britischen Gesundheitsbehörden 13 Monate lang im unklaren gelassen wurde, während ihr Sohn langsam zu einer „menschlichen Hülle“ verfiel. „Er konnte nicht mehr gehen, nicht mehr sprechen, er wußte nicht, was mit ihm vorging.“ Peter Holl war zwanzig Jahre alt, als er im Februar dieses Jahres starb. Daß es sich um die Creutzfeld-Jakob-Krankheit gehandelt hatte, erfuhr Francis Holl am 20. März, einen Tag, bevor der britische Premier vor dem Unterhaus den möglichen Zusammenhang zwischen Rinderwahn und Creutzfeld-Jakob einräumte. Alois Berger
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