: Tod im Tiergarten
■ Mangelhafte Organisation: Verwüstungen auf der Love Parade
750.000 Liter Urin, Fäkalien und Müll; 71 Tonnen Papier, Plastik und Unrat; 120 zerstörte Hecken und eine unbekannte Anzahl toter Vögel: Mit einer Reihe solcher Zahlen bilanziert die Arbeitsgemeinschaft im Tiergarten (A.G.I.T.) die Love Parade vom 13. Juli 1996.
„Das ist das Ergebnis der mangelhaften Vorbereitungen“, ärgert sich Reiner Schicks. Die A.G.I.T.- Kritik richtet sich an die Veranstalter, den Senat und die Polizei: „Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit hat bei diesen Stellen gefehlt.“ So zogen 73 Umweltschützer zur Love Parade in den Tiergarten, um auf eigene Kappe das Schlimmste abzuwenden. Bereits 10 Tage vor dem Megaspektakel versetzten sie Vogelnester aus dem Zentralbereich des Parks an entlegenere Zonen, um einem ornithologischen Massensterben vorzubeugen. Die Techno-Dröhnung kann bei Jungvögeln zum Herzschlag führen.
Am Tag X beschränkte sich der Einsatz der 73 zwischen den 600.000 Ravern notgedrungen auf kleine Einzelaktionen: „Immerhin konnte ich ein Erdhummelnest retten“, berichtet Brigitte Zietlow. Ein kleines Glücksmoment für die Aktivistin aus der Baumschutzgemeinschaft Berlin. Einige Vögel hatten weniger Glück: Bereits 1995 starben 34, als einige Wagen auf dem Weg zur Love Parade mit kräftigen Beats durch den Tiergarten rollten. Dieses Jahr gestaltet sich die Bilanz schwieriger: Durch die Müllmassen waren die Kadaver kaum aufzufinden, zumal die Stadtreinigung schon bald nach der Parade mit den Aufräumarbeiten begann.
Was bei den Tiergarten-Aktivisten nach der Love Parade übrigblieb, waren Frust und Ohnmacht. Für das nächste Jahr hoffen sie auf mehr Einsatzbereitschaft von den Veranstaltern und strengere Vorgaben durch den Senat.
Wenn alles nichts nützt, könnten die Raver in ein paar Jahren vielleicht in den Tiergartentunnel verbannt werden. Dann hätte die Röhre doch noch irgendeinen positiven Zweck. lk
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