Kein Recherchieren für den Staatsanwalt

■ Gesetzentwurf der Bündnisgrünen für größeren Schutz der Pressefreiheit

Berlin (taz) – Not macht erfinderisch: Auf der Suche nach dem untergetauchten Immobilienhändler Jürgen Schneider hängten sich im vergangenen Jahr die wenig erfolgreich ermittelnden Staatsanwälte kurzer Hand an die Rechercheure des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Um den Aufenthaltsort des Milliardenpleitiers bestimmen zu können, erwirkten die Strafverfolger beim Frankfurter Amtsgericht einen richterlichen Beschluß. Mit diesem wurde der Betreibergesellschaft eines Mobiltelefonnetzes auferlegt, die Verbindungsdaten bestimmter Handy-Anschlüsse herauszugeben. Es waren Informationen darüber, mit welchen anderen Anschlüssen zwei Mitarbeiter des ZDF-Magazin „Frontal“ telefoniert hatten.

Nicht zum ersten Mal wurden damit Journalisten – ohne es zu wissen – zum verlängerten Arm der Strafverfolgung gemacht. Seit Jahren beklagen Journalistenverbände, Zeitungsverleger und Gewerkschaften den schleichenden Abbau der Pressefreiheit. Nun haben die Bündnisgrünen in Bonn einen Gesetzentwurf für ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht vorgelegt.

Immer öfter greifen Polizei und Staatsanwaltschaften auf mögliche Erkenntnisse von Journalisten und Redakteuren zurück. Fotos und Filme werden in den Redaktionen beschlagnahmt, die Herausgabe von Bekennerschreiben gefordert, und es werden auch schon mal sogenannte „Bewegungsbilder“ recherchierender Journalisten angefertigt. Dabei greifen die Beamten nicht nur wie Fall der „Frontal“- Mitarbeiter auf die Verbindungsdaten von Funktelefonen zurück – Bewegungsbilder lassen sich etwa auch durch die Beschlagnahme von Kreditkarten- oder Leihwagenabrechnungen erstellen.

Dabei machen sich die Ermittler vor allem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom Oktober 1987 zunutze. Damals bestätigte das oberste Gericht zwar, daß es ein Zeugnisverweigerungsrecht für Journalisten gebe. Gleichwohl führte das Karlsruher Gericht aber aus, daß sich dieses nicht auf „selbstrecherchiertes“ Material erstrecke. Das Verfassungsgericht erklärte damals die Beschlagnahme von unveröffentlichtem Filmmaterial über eine Demonstration gegen das Atomkraftwerk Brokdorf für zulässig, bei der es zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war.

Prinzipiell gibt es auch das Verbot, „Schriftstücke, Ton- und Bildträger, Abbildungen und andere Darstellungen“ zu beschlagnahmen, die sich im Besitz eines Journalisten oder einer Redaktion befinden. Auch dieser in der Strafprozeßordnung verankerte Schutz wird aber durch eine Ausnahmeregelung ausgehebelt. Das Beschlagnahmeverbot gilt nicht, „wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren“. Für einige Staatsanwälte mutierten die Bekennerschreiben der Roten Armee Fraktion sofort zu „Tatmitteln“.

Die gegenwärtige Rechtsprechung fällt regelmäßig zugunsten der Ermittler aus. So scheiterte beispielsweise Anfang des Jahres das ZDF mit seiner Beschwerde gegen die Handy-Überwachung. Das Frankfurter Landgericht beschied lapidar: keine Verletzung der Pressefreiheit, kein Verstoß gegen das Zeugnisverweigerungsrecht. Die vom Amtsgericht angeordnete Auskunftserteilung im Fall Schneider sei allein schon deswegen zulässig, weil der Beschluß zeitlich befristet gewesen sei.

Mit ihrem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf wollen die Bündnisgrünen nun erstens ein wirkungsvolles Zeugnisverweigerungsrecht für die Mitarbeiter in den Medien gesetzlich verankern und zweitens den staatlichen Zugriff auf die Redaktionsarchive durch ein erweitertes Beschlagnahmeverbot eindämmen. In einem gleichzeitig vorgestellten „Eckpunktepapier zur Sicherung der Pressefreiheit“ fordern die Bündnisgrünen, daß die „Einfallstore zur Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechtes“ geschlossen werden müßten. Das Verbot einer Beschlagnahme von Unterlagen – ob selbst recherchiert oder nicht – müsse in Redaktionen „uneingeschränkt“ gelten. Im Gegensatz zur herrschenden Praxis dürften Schriftstücke, Tonträger, Datenträger, Bilder und Filme auch dann nicht mehr sichergestellt werden, wenn ein Staatsanwalt den Verdacht hegt, diese könnten „aus einer Straftat herrühren oder aus ihr hervorgebracht“ worden sein.

Gerald Häfner, für die Grünen im Bonner Rechtsausschuß, und der Bundesvorsitzende der Fachgruppe Journalismus in der IG Medien, Gunter Haake, versprechen sich von dem Gesetzentwurf „einen wirksamen Schritt zur Beschränkung staatlicher Eingriffe“ in die Pressefreiheit. Das ist auch dringend nötig, wenn die Medien ihre Aufgabe zur Kontrolle von Politik wahrnehmen sollen. Paul Neumann